Bund darf Unicredit nicht im Weg stehen
Commerzbank
Berlin darf Mailand nicht im Weg stehen
Der Bund sollte sich von der Commerzbank lösen. Es ist nicht seine Aufgabe, eine Übernahme durch Unicredit zu verhindern.
Von Jan Schrader
Der tollkühne Vorstoß der Unicredit hat viele Aktionäre der Commerzbank überrascht – auch den Bund. Rund 9% der Aktien besitzt die italienische Großbank nach eigener Auskunft nun und der Mailänder Konzern zeigt Interesse an weiteren Aufkäufen. Eine Übernahme erscheint damit möglich und die Aufregung ist groß: Die Aktionäre hoffen auf ein üppiges Übernahmeangebot, die Gewerkschaften fürchten massiven Stellenabbau. Die Augen sind jetzt auf den Bund gerichtet. Er sollte trotz allem Wirbel seine Anteile von nunmehr 12% perspektivisch weiter verringern. Es ist nicht seine Aufgabe, die Unicredit zu stoppen.
Andere Aktionäre sind am Zug
Ob eine Übernahme möglich und sinnvoll ist, lässt sich schwer sagen. Aktienanalysten notieren bereits dreistellige Millionenbeträge als jährliche Synergie, falls die Unicredit-Tochter HypoVereinsbank und die Commerzbank ihre Kräfte in Deutschland bündeln sollten. Auf dem Papier sieht das gut aus, die Realität ist freilich komplexer. Die Rivalin Deutsche Bank hat mit der Postbank erfahren, wie mühsam und langwierig eine Integration verlaufen kann. Von einer Übernahme der Commerzbank nahm der deutsche Branchenprimus im Jahr 2019 Abstand. Doch eine Bewertung etwaiger Übernahmepläne sollte nicht beim Bund liegen. Nach Gesundung der Commerzbank zieht sich der Staat aus gutem Grund aus dem Kreis der Aktionäre zurück, annähernd 16 Jahre nach Stützung der Commerzbank in der Finanzkrise ist dieser Schritt überfällig. Folglich sollte die Bundesregierung auch unternehmerische Entscheidungen den übrigen Aktionären überlassen – alles andere wäre inkonsistent.
Der Erhalt von Arbeitsplätzen taugt nur eingeschränkt als Argument für ein Engagement des Bundes gegen einen Vorstoß der Unicredit. Zwar sollte die Entlassung von Menschen, die nur schwer eine neue Arbeit finden, der Bundesregierung nicht gleichgültig sein. Über Abfindungen, Nachschulungen oder zeitlich gestreckte Abbaupläne der Bank sollte der deutsche Staat, solange er noch Aktien besitzt, durchaus mitreden. Aber eine dauerhafte Blockade wäre nicht gerechtfertigt. Deutschland hat ein Interesse an möglichst effizient aufgestellten, gesund wirtschaftenden Unternehmen. Dazu sind zuweilen auch Übernahmen und der Abbau von Stellen notwendig – ob das bei der Commerzbank der Fall ist, bestimmen maßgeblich die Eigentümer. Filialabbau und Konsolidierung sind prägend für die deutsche Kreditwirtschaft, das kann auch der Bund nicht verhindern.
Bleibt das Risiko von Größe: Die Unicredit ist mit einer Bilanzsumme von 799 Mrd. Euro schon jetzt ein Riese, mit der Commerzbank kämen 560 Mrd. Euro hinzu. Das Machtzentrum läge nach einer Übernahme in Mailand und nicht mehr in Frankfurt. Ein solcher Koloss bräuchte eine strenge Aufsicht und ausreichend Kapital. Doch ein europäischer Bankenmarkt ist politisch gewollt. Eine einheitliche Aufsicht durch die EZB und eine gemeinsame Abwicklungsinstitution sind auch geschaffen worden, um paneuropäische Banken zu begleiten. Die Instrumente für die Überwachung großer und grenzüberschreitender Kreditkonzerne sind vorhanden. Es käme einer politischen Kehrtwende gleich, stellte sich der Bund grundsätzlich gegen die Unicredit.
Wenn Unicredit erneut anklopft
Ob es tatsächlich zu einer Übernahme kommt, ist längst nicht klar. Die Commerzbank ist an der Börse annähernd 18 Mrd. Euro schwer, wovon die Unicredit weniger als ein Zehntel besitzt. Ob sie die notwendigen Milliarden und die Geduld für eine Übernahme aufbringt, muss sich zeigen. Ebenso, ob die EZB-Bankenaufsicht die jeweiligen Schritte der Unicredit wie erhofft genehmigt. Das Management der Commerzbank stemmt sich laut Nachrichtenagentur Reuters gegen eine Übernahme, das Verhalten der vielen Einzelaktionäre ist ungewiss. Der Kurs der Unicredit blieb nach Bekanntgabe am Mittwoch nahezu unverändert, die Aktionäre zeigen also keine Euphorie für eine Übernahme. Unicredit-Chef Andrea Orcel ist klug genug, sich öffentlich nicht festzulegen. Doch die Richtung ist klar: Wenn der Bund weitere Commerzbank-Aktien verkaufen will, könnte die Unicredit erneut anklopfen. Böte sie den höchsten Preis, sollte sie auch künftig den Zuschlag erhalten.