Ampel-Koalition

Bund muss Klimaschutz­instrumente besser koordinieren

Die Ampel-Regierung will den Klimaschutz beschleunigen. Viel wichtiger wäre zunächst ein Überblick über bestehende Förderungen und ihre Wirkung. Dafür gibt der Bundesrechnungshof schlechte Noten.

Bund muss Klimaschutz­instrumente besser koordinieren

Von Angela Wefers, Berlin

Noch kurz vor dem ankündigten „Osterpaket“ zum Klimaschutz hat der Bundesrechnungshof der Ampel-Koalition eine ambitionierte Checkliste mit auf den Weg gegeben. Diese soll die Ampel bei Gesetzesvorlagen und neuen Instrumenten unbedingt berücksichtigen. Denn an den bisherigen Klimaschutzmaßnahmen lassen die Kontrolleure des Bundes hinsichtlich der Wirksamkeit kein gutes Haar. Das Urteil der Rechnungsprüfer, das sie in ihrem vergangene Woche vorgelegten Bericht zur Steuerung des Klimaschutzes in Deutschland dem Bundestag zugeleitet hatten, fällt ernüchternd aus.

Schon in der kommenden Woche – und damit noch vor Ostern – dürfte das Bundeskabinett die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigten Regierungsentwürfe zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Windenergie-auf-See-Gesetzes und des EEG-Entlastungsgesetzes in Bezug auf erneuerbare Energien beschließen. Die Zeit eilt, denn die Ampel-Koalition will die Treibhausgasneutralität bis 2045 erreichen. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hin hatte noch die alte Bundesregierung das Klimaschutzgesetz im Sommer 2021 verschärft und herausforderende Ziele zur Minderung des Treibhausgasausstoßes für einzelne Sektoren definiert (siehe Grafik). Demnach müssen alle Sektoren bis 2030 den CO2-Ausstoß erheblich reduzieren. Bis dahin werden die bisher aufgelegten zahlreichen Instrumente den Ausstoß tatsächlich nur um 49% mindern. Dies sind 16% weniger als angestrebt. „Um diese ‚Klimalücke‘ zu schließen, sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich“, konstatierte der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.

Steuerung „mangelhaft“

Mehr Tempo und weitere Maßnahmen allein, wie sie die Ampel nun angekündigt hat, reichen dem Rechnungshof nicht aus. Die Steuerung des Klimaschutzes halten die Kontrolleure des Bundes schlicht für „mangelhaft“. Regierungskoalitionen neigen in ihren Entscheidungen häufig zu einem Potpourri, in dem sich alle an der Regierung beteiligten Parteien wiederfinden, das aber nicht unbedingt als Ganzes stimmig ist. Zudem ist es häufig schwierig, einmal etablierte Instrumente ohne großes Wehklagen der begünstigten Gruppen auch wieder abzuschaffen.

Erster Knackpunkt ist schon die Erkenntnis, dass der Bund – Scheller zufolge – keinen vollständigen Überblick über seine Förderprogramme hat, auch nicht über die aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) finanzierten Programme. Den EKF hatte die neue rot-grün-gelbe Regierung als erste Amtshandlung noch rückwirkend für 2021 mit 60 Mrd. Euro Kreditermächtigungen an der Schuldenbremse vorbei ausgestattet, um aus diesem Topf in den nächsten Jahren schöpfen zu können.

Wegen der fehlenden Übersicht äußert sich der Rechnungshof auch nur verhalten zu Zahlen. Der Bund investiere „jährlich Milliarden“ in den Klimaschutz, heißt es. Vermutlich führten aber nur 4 der 96 Maßnahmen aus dem Klimaschutzprogramm 2030 überhaupt zu signifikanten Emissionseinsparungen. Der Rechnungshof nennt dazu das Ende der Kohleverstromung und den Ausbau erneuerbarer Energien. Für die meisten der insgesamt mehr als 100 Förderprogramme fehlten Vorgaben, wie stark sie den Treibhausgasausstoß reduzieren sollen, sagte Scheller. Der Bund soll deshalb künftig nur noch Maßnahmen finanzieren, die „nachweislich und wirtschaftlich“ Treibhausgas minderten. Dazu müssten auch die Berechnungsmethoden vereinheitlicht werden. Derzeit werde mit unterschiedlichen Methoden ermittelt, wie hoch die Kosten seien, um eine Tonne CO2 einzusparen. Nur dann ließen sich die öffentlichen Mittel in besonders effiziente Maßnahmen lenken.

Kritik übt der Rechnungshof auch an widersprüchlichen Instrumenten. Der Bund müsse klimaschädliche Subventionen abschaffen. Dem Bundesfinanzministerium zufolge weisen 16 Mrd. Euro Finanzhilfen für 2021 einen positiven Bezug zu den Umwelt- und Klimazielen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auf. Der Rechnungshof verweist indessen auf das Umweltbundesamt, das fast zur gleichen Zeit Subventionen von 65 Mrd. Euro aus 2018 als umweltschädlich einstufte.

Regierung kaum abgestimmt

Mehr Koordination wünscht der Rechnungshof dringend innerhalb der Bundesregierung. Das sogenannte Klimakabinett führe bislang nur ein „Schattendasein“ und habe in der vergangenen Legislaturperiode nur einmal getagt. Dabei soll es eigentlich die Ressortaktivitäten steuern. Auch der Klimaschutzbericht sei ungeeignet als zentrale Entscheidungsgrundlage, stellen die Prüfer fest. Wichtige Angaben fehlten. Der Bericht müsse zu einem echten Monitoring-Instrument ausgebaut werden und angestrebte wie realisierte Treibhausgasminderungen enthalten. Nicht zuletzt denkt der Rechnungshof an den Bundeshaushalt – seine originäre Aufgabe: Ein Klimatracking soll die Klimarelevanz von Ausgaben und Einnahmen im Bundeshaushalt für alle sichtbar machen.

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