Das Profil des Nachfolgers von Adidas-Chef Rorsted
Das Vertrauen des Aufsichtsrats von Adidas in Kasper Rorsted war vor zwei Jahren noch sehr groß. Der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden wurde im August 2020 vorzeitig um fünf Jahre bis Mitte 2026 verlängert. Doch schon damals hatte das Image des Dänen Risse bekommen. Die Reaktion von Politik und Gesellschaft auf seine Idee in der Anfangszeit der Coronakrise, die Zahlung von Ladenmieten aufzuschieben, hatte er entweder außer Acht gelassen oder zumindest stark unterschätzt. Wie ein Sturm fegte in Deutschland die Entrüstung über das Unternehmen. Rorsted konnte nur den Plan aufgeben und um Entschuldigung bitten.
Auch die etwa zur selben Zeit verstärkte und schließlich mit dem Abgang von Personalvorständin Karen Parkin eskalierte Debatte um Rassismus unter den Adidas-Mitarbeitern in den USA weckte Zweifel an Rorsteds Fähigkeit, den Sportartikelkonzern abseits von Wachstums- und Renditezielen im Griff zu haben. Der Aufsichtsrat ist deshalb dafür verantwortlich, dass die vorzeitige Trennung von Rorsted im nächsten Jahr den Sportartikelkonzern etliche Millionen Euro kosten wird.
Aus den Fehlern Rorsteds sollte der Aufsichtsrat um den Vorsitzenden und Bertelsmann-Chef Thomas Rabe nun wenigstens Lehren für die Auswahl des Nachfolgers ziehen. Die Rolle eines Unternehmens in der Gesellschaft zu erkennen und auszufüllen sowie ein Gespür für die Anliegen der Mitarbeiter zu bekommen, sind wichtige Eigenschaften, an denen es dem kühl und distanziert wirkenden Rorsted offenbar mangelt. Das sind die ersten beiden wesentlichen Punkte für das Anforderungsprofil des künftigen Vorstandschefs.
Auf Kunden und Aktionäre bezogen hat Rorsted zweifellos Erfolge erzielt – in den vergangenen Monaten allerdings immer weniger. Seinem Ruf, ein Unternehmen auf mehr Effizienz und Rendite zu trimmen, wurde er nach seinem Wechsel von Henkel auch bei Adidas gerecht. Im Oktober 2016 hatte Rorsted den Vorstandsvorsitz von Herbert Hainer übernommen. Die operative Marge stieg von 6,5 % im Jahr 2015 kontinuierlich bis 2019 auf 11,3 %. Adidas kam damit in die Nähe von Nike, dem Maß aller Dinge in der Branche, mit damals rund 12 %. Gleichzeitig wuchs der Umsatz von Adidas um rund 40 % auf 23,6 Mrd. Euro. Verglichen mit Nike – plus 21 % auf gut 39 Mrd. Dollar – war das Tempo fast doppelt so hoch. Rorsted stärkte das Geschäft in Nordamerika, das sein Vorgänger Hainer vernachlässigt und erst zum Ende hin forciert hatte. Dort verdoppelte sich der Umsatz. Zeitweise nahm Adidas Nike auf dem Heimterrain Marktanteile ab. Den Online-Umsatz hat Rorsted mehr als verfünffacht – freilich begünstigt von der Corona-Pandemie.
Corona bedeutete gleichwohl einen Bruch in Rorsteds Adidas-Bilanz. Auch in der letzten Phase als Chef von Henkel waren die Zweifel an ihm als Manager mit Allround-Talent gewachsen. Nike und Puma erholten sich nach der tiefen Delle wegen geschlossener Läden in der ersten Coronawelle schneller und besser als Adidas – bis heute: Einen Tag nachdem der Adidas-Vorstand Ende Juli schon zum zweiten Mal in diesem Jahr die Geschäftsprognose hatte senken müssen, legte Puma-Chef Bjørn Gulden die Latte fürs Umsatzziel etwas höher. Dem Aktienkurs von Adidas geht seit einem Jahr die Luft aus; er steht jetzt nur noch auf Rorsteds Einstiegsniveau im Herbst vor sechs Jahren.
Der chinesische Markt – bis vor kurzem der profitabelste der Branche – hatte etliche Quartale dem Unternehmen viel Schub gegeben: Am Konzernumsatz hatte er einen Anteil von rund einem Viertel, am Gewinn sogar von mehr als der Hälfte. Doch die strikten Lockdowns in diesem Jahr vermasselten Adidas das Geschäft in dem Land. Das ist allerdings nicht alles: Die Produkte mit den drei Streifen treffen dort nicht mehr so ganz den Geschmack der Konsumenten. Jetzt wird ein Teil der Schuhe, T-Shirts und Jacken an Ort und Stelle entworfen, um den regionaltypischen Stil aufzunehmen.
Die Attraktivität der Marke in China zu steigern und in den anderen Regionen zumindest hochzuhalten ist die Aufgabe für Rorsted in seinen verbleibenden Monaten und vor allem danach für seinen Nachfolger. In Produkte zu investieren und sie geschickt zu vermarkten ist das eine; andererseits kommt es vor allem darauf an, Modetrends früh zu erkennen und angesagte Schuhe und Bekleidung rechtzeitig in den Handel zu bringen. Hier zeigt Puma bisweilen mehr Flexibilität und Tempo. Der künftige Adidas-Chef kann sich vom kleineren Nachbarn durchaus etwas abschauen.