Dem US-Hypothekenmarkt droht der Abriss
US-Hypotheken
Der Abriss droht
Von Alex Wehnert
Eine Privatisierung der staatlich gesponserten Fannie Mae und Freddie Mac droht die Probleme am US-Hypothekenmarkt zu verschärfen.
Die rücksichtslosen Bemühungen der US-Regierung um einen schlanken Staat drohen dem amerikanischen Immobilienmarkt seine noch verbliebene Stabilität zu rauben. Während umfassende Strafzölle Washingtons gegen Handelspartner der Vereinigten Staaten globale Investoren aufwühlen, mögen ambitionierte Pläne Washingtons für eine Privatisierung der staatlich gesponserten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac derzeit in den Hintergrund treten. Sie besitzen aber das Potenzial, noch größere Verwerfungen innerhalb des Finanzsystems auszulösen als von vielen Marktteilnehmern derzeit vermutet.
Ein republikanischer Traum
Die beiden Institute gerieten im Zuge der Finanzkrise 2008 unter die Kontrolle der Federal Housing Finance Agency (FHFA). Praktisch schon seitdem fordern Republikaner einen Verkauf der Regierungsanteile. Trumps ökonomische Berater haben nun einen Plan zur Privatisierung entwickelt, der sich zunächst gar nicht so dumm anhört: Gemäß eines im März in Washington herumgereichten Entwurfes könnten Fannie und Freddie in einen US-Staatsfonds überführt werden, der zur neuen fixen Idee des vermeintlichen Dealmakers im Weißen Haus geworden ist.
Das Vehikel, das Trump per Exekutivbeschluss anordnete und nach seiner Vorstellung künftig in große Infrastrukturprojekte investieren soll, könnte sich somit aus der Staatsbeteiligung an den Hypothekenbanken finanzieren. Deren Gegenwert schätzt die Wall Street auf 250 Mrd. Dollar. Indem die US-Regierung Fannie und Freddie im Staatsfonds hält, könnte sie hohe reinvestierbare Dividenden einfahren, zugleich den Häusermarkt stabilisieren und erst nach und nach ihre Beteiligungen abbauen, wie Investmenthäuser argumentieren. Dem liegt allerdings die blauäugige Annahme zugrunde, dass Trump und Konsorten in einem solchen Szenario behutsam vorgehen würden.
Wenig Behutsamkeit zu erwarten
Um zu erkennen, wie wenig Vorsicht von der US-Regierung zu erwarten ist, müssen Immobilieninvestoren gar nicht bis zu den Strafzöllen schweifen, die den Welthandel durchrütteln. Es reicht schon der Blick auf die FHFA selbst. Der von Trump als Chef des Regulators eingesetzte Bill Pulte entließ nach seinem Amtsantritt direkt mal hochrangige Vertreter der eigenen Behörde sowie über ein Dutzend Direktoren von Fannie und Freddie, um sich selbst zum Vorsitzenden der Verwaltungsräte beider Institute zu bestimmen.
Schon jetzt weckt das radikale Vorgehen Befürchtungen, die staatlich gesponserten Hypothekenbanken könnten bei der Kontrolle der von ihnen gesetzten Kreditstandards und der Präzision der von ihnen bereitgestellten Daten nachlassen. Agiert Washington bei einer Privatisierung ähnlich wild und willkürlich, drohen noch massive Zinsanstiege bei Inhaberschuldverschreibungen. Dies dürfte nicht nur zu schweren Belastungen für Privathaushalte und den Konsum führen, sondern auch die Kredit- und Wertpapierportfolios amerikanischer Banken unter heftigen Druck setzen.
Billionenschwerer Markt in Turbulenzen
Fannie und Freddie stellen zwar selbst keine Kredite aus, garantieren und bündeln diese aber in Mortgage Backed Securities (MBS) und kreieren damit einen Sekundärmarkt im Gesamtvolumen von 6,6 Bill. Dollar. Gewichtet nach Kreditrisiko hängen damit 48 % der US-Inhaberschuldverschreibungen auf Immobilien an den beiden Instituten. Pläne, sie in den freien Markt zu entlassen, zirkulieren in einer Phase, in der sich strukturelle Probleme im Segment ausweiten.
Die größten Hypotheken-Lender der Vereinigten Staaten nach Zahl der ausgestellten Kredite heißen heute derweil nicht Bank of America oder US Bancorp, sondern Rocket Mortgage und United Wholesale Mortgage. Bei diesen handelt es sich um Intermediäre ohne Einlagengeschäft, deren Gebührenstrukturen und mutmaßliche Locktaktiken in der Vergangenheit schon Anlass für Verbraucherschutzklagen boten. Gerade Rocket sucht sich mit milliardenschweren Übernahmen als vollumfassende Plattform für Hauskäufer und -eigentümer zu positionieren.
Kreditvergabe deutlich ausgeweitet
Auch Amerikas Geldhäuser haben das Wachstum der Hypothekenvermittler als Chance begriffen und ihre Kreditvergabe an diese auf das gleiche Niveau ausgeweitet wie jene an Private-Equity-Gesellschaften. Doch ist das Segment weit weniger liquide, schwächer reguliert und intransparenter als der klassische Bankensektor. In Krisenphasen macht dies Stabilisierungsversuche schwieriger. Und kommt es am Hypothekenmarkt zum großen Abriss, dürfte dies Schockwellen durch Ecken des Finanzsystems jagen, deren Vertreter damit momentan überhaupt nicht rechnen.