LeitartikelVersicherungen

Der unheilvolle Einfluss von Private Equity

Die Beteiligung von Private Equity an der US-Versicherungswirtschaft ist über die vergangenen Jahre stark gewachsen. Dies birgt unterschätzte Risiken für die Finanzstabilität.

Der unheilvolle Einfluss von Private Equity

Versicherungen

Der unheilvolle Einfluss von Private Equity

Von Alex Wehnert

Platzt eine Blase an den privaten Märkten, droht dies weite Teile des US-Versicherungssektors in Mitleidenschaft zu ziehen.

Der wachsende Einfluss von Private Equity in der US-Versicherungsbranche birgt systemische Risiken, die Vertreter des Sektors zu leichtfertig beiseite wischen. Seitdem Apollo Global im Jahr 2009 die Gesellschaft Athene Holdings auflegte, die zu einem der größten Rentenversicherer der Vereinigten Staaten wuchs, haben sich zahlreiche Alternatives-Riesen wie Blackstone, KKR und Carlyle mit Übernahmen oder zumindest substanziellen Investments auf die Assekuranz gestürzt. Zwischen 2018 und 2022 wuchs die Beteiligung von Private Equity an der gesamten US-Branche laut der Aufsicht NAIC von 4,8 auf 6,5%, Buyout-Häuser kontrollierten damit 137 Versicherer mit Assets von insgesamt 534 Mrd. Dollar. Das US-Finanzministerium und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben in den vergangenen Wochen in Berichten berechtigterweise die Frage aufgeworfen, inwiefern diese zunehmende Präsenz risikofreudiger Geldgeber insbesondere im Lebens- und Rentenversicherungs-Segment die Finanzstabilität gefährdet.

Teile der Antwort geben die IWF-Ökonomen selbst: Sobald eine Private-Equity-Firma die Kontrolle bei einem Versicherer übernimmt, fährt sie das Risiko bei dessen zu investierenden Mitteln in der Regel deutlich hoch. Die Nonprofit-Organisation Americans for Financial Reform, die sich für eine striktere Regulierung der Finanzbranche einsetzt, verweist zudem auf eine gefährliche Konzentration komplexer Assets. Von Private Equity kontrollierte Versicherer hätten im vergangenen Jahr 10% ihrer Bondinvestitionen bei verbundenen Gesellschaften getätigt. Heißt im Klartext: Sie nutzen Versicherungsmittel besonders häufig, um von ihren Alternatives-Müttern angestoßene Buyouts zu finanzieren.

Intransparente Vorgänge

Für den breiten Markt sind diese Vorgänge intransparent. Platzt eine Bewertungsblase an den privaten Märkten, droht ein Wertverlust der Mittelbestände breiter Teile der Versicherungswirtschaft, der überraschend schnell auf andere Teile des Finanzsektors übergreifen könnte. Vertreter der Private-Equity-Branche versuchen dieses Risiko herunterzuspielen. Der Analysedienst Clearwater argumentierte in einem Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung zuletzt, in einer stabilen Welt sei es auch an den privaten Märkten möglich, den Wert von Anlagen vergleichsweise zuverlässig zu ermitteln.

Um zu verstehen, dass eine stabile Welt für in komplexe Finanzinstrumente investierte Versicherer nicht den Regelzustand darstellt, müssen Anleger aber nicht bis zum Kollaps des letztlich von der Federal Reserve geretteten Versicherungsriesen American International Group (AIG) im Jahr 2008 zurückgehen. Diesem wurden ausfallende Hypothekenkredite seiner Kunden zum Verhängnis, die über Credit Default Swaps abgesichert waren. Situationen, in denen Versicherer und Kassen gezwungen waren, zur Besicherung anderer Finanzgeschäfte gedachte Assets notzuverkaufen, gab es auch in den Jahren darauf – so zum Beispiel 2022, als britische Pensionsfonds infolge unorthodoxer Haushaltspläne der Regierung in London binnen kurzer Zeit Gilts im Milliardenwert veräußern mussten. Der damalige Beinahe-Crash am Anleihemarkt zeigt, wie stark die Versicherungsbranche mit dem Rest des globalen Finanzsystems vernetzt ist und wie schnell Krisen in ihr selbst auf vermeintlich stabile und liquide Assetklassen übergreifen können.

Überarbeitung der Aufsicht nötig

Private-Equity-Vertreter werden indes argumentieren, dass sie in der Regel einen langfristigen Anlageansatz verfolgen und deshalb gut zur Versicherungsbranche passen. Marktteilnehmer, die seit Jahren einen breiten Abfluss von Mitteln aus der regulierten Finanzbranche in schwierig einsehbare Ecken des Systems beobachten, können solche Beteuerungen aber kaum beruhigen. Eine viel diskutierte Lösung für das zu geringe Maß an Aufsicht könnte darin bestehen, von Private-Equity-Gesellschaften kontrollierte Versicherer in den USA für systemisch relevant zu erklären und somit unter die Ägide der Fed zu stellen. Allerdings ist die Erklärung systemischer Relevanz zurecht kein Mittel, das Regulatoren leichtfertig einsetzen – schließlich kann dies die Marktteilnehmer erst recht verunsichern. Sinnvoller ist daher eine Kontrolle durch aufsichtliche Gremien, die Bewertungen von Privatmarktanlagen der Versicherer regelmäßiger prüfen.