LeitartikelUSA

Deregulierung ohne Verstand

Der designierte Chef der US-Börsenaufsicht SEC, Paul Atkins, ist kein Freund von Einmischungen in den Markt. Damit droht er dem schädlichen Wildwuchs am Kryptomarkt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt Vorschub zu leisten.

Deregulierung ohne Verstand

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Deregulierung ohne Verstand

Die neue SEC-Führung droht den Wildwuchs im Kryptomarkt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt anzutreiben.

Von Alex Wehnert

Amerikas Aufsichtsbehörden stehen vor tiefen Einschnitten – doch dass nach Jahren der demokratisch geprägten Überregulierung nun kapitalmarktfreundlicher Bürokratieabbau mit Verstand folgt, ist zweifelhaft. Insbesondere der anstehende Wechsel an der Spitze der US-Börsenaufsicht SEC versetzt konservative Kommentatoren in Hochstimmung: Gary Gensler, der die Private-Funds- und Krypto-Branche seit seinem Amtsantritt 2021 mit seinem harten Vorgehen genervt hat, tritt im Januar zurück. Damit kommt er einer Entlassung durch den designierten US-Präsidenten Donald Trump zuvor, der nun den als Regulierungsskeptiker bekannten Paul Atkins an die Spitze der Behörde hieven will. Inwieweit dieser unter seinem Vorgänger verabschiedete Rahmenwerke tatsächlich zurückrollen wird, ist natürlich noch nicht klar. Doch lassen seine erste Amtszeit – Atkins war bereits zwischen 2002 und 2008 SEC-Kommissar – und seine Äußerungen seither hinreichende Schlüsse zu.

Gegner des Dodd-Frank Act

Der wichtigste: Der Mann, der künftig der Aufsicht vorstehen soll, ist kein Freund von Einmischungen. So gehörte er zu den Gegnern des in Reaktion auf die Finanzkrise 2008 verabschiedeten Dodd-Frank Act, der Regulatoren nach seiner Ansicht zu viel Autorität über den Bankensektor verlieh. Zudem stimmte er als Kommissar einst gegen eine wegweisende Neuregelung, die einen einheitlichen nationalen Markt für den elektronischen Aktienhandel schuf. Atkins stufte die zunehmende Harmonisierung im Trading, die Gensler noch vorantrieb, in seiner ersten SEC-Zeit als wettbewerbsfeindliches Mikromanagement ein.

Überdies machte er sich 2006 für einen zurückhaltenden Einsatz von zivilen Strafmaßnahmen gegen öffentlich gehandelte Unternehmen stark, da diese meist zulasten der Aktionäre gingen. Stattdessen spricht er sich dafür aus, Einzelpersonen stärker zu verfolgen, die sich des Betrugs oder der Marktmanipulation schuldig gemacht haben. Unter ihrem aktuellen Vorsitzenden hat die SEC hingegen rekordhohe Strafen von Unternehmen eingefordert. Mit Blick auf die Staatskassen ist das eine nicht zu unterschätzende Komponente.

Allzu liberales Vorgehen als Risiko

Zwar ist Kritik an Gensler in vielerlei Hinsicht berechtigt. Denn zu oft ist der noch amtierende Aufsichtschef mit Maßnahmen vorgeprescht, ohne die Konsequenzen zu überdenken. Bestes Beispiel ist seine Reform des Treasury-Clearings, die Kontrahentenrisiken reduzieren soll, aber zu steigenden Handelskosten und zu einer abnehmenden Liquidität im System führen dürfte. Doch Gensler hat dem Staat mit seinen harten Vollstreckungsmaßnahmen eben auch Mittel eingebracht – und erzielte abschreckende Wirkung auf windige Elemente in schlecht durchleuchteten Ecken des Markts. Der allzu liberale Atkins droht hingegen, dem Wildwuchs im von Betrug und Manipulation geprägten Kryptomarkt Vorschub zu leisten.

Dabei soll sich der designierte SEC-Chef in die Bemühungen des wichtigsten Trump-Unterstützers Elon Musk einreihen, die Effizienz der US-Regierung zu erhöhen. Natürlich ist es bitter nötig, den US-Verwaltungsapparat zu entschlacken und die Staatsausgaben einzudämmen. Doch die zwei Bill. Dollar, die Musk nach eigenen Angaben einsparen will, sind wohl eine ziemlich aus der Luft gegriffene Summe. Und selbst wenn sie realistisch erreichbar wäre, bedeutete dies doch nur einen Tropfen auf den heißen Stein. Schließlich ist die nationale Verschuldung zuletzt doch auf über 36 Bill. Dollar ins Kraut geschossen.

Destabilisierung am Treasury-Markt

Die steigenden Staatsausgaben sind nur eine Komponente. Ein Hauptproblem besteht aber auch darin, dass die Staatseinnahmen weniger und weniger der horrenden Zinsverpflichtungen abdecken. Die Quote „Interest Payments to Tax Receipts“ hat mit 37,8% nun den höchsten Stand seit 1996 erreicht. Unter Trump dürfte sich der Anteil der Staatseinnahmen, den der Zinsdienst auffrisst, durch Steuersenkungen noch ausweiten. Dabei käme es darauf an, nicht nur die Staatsausgaben zu drücken, sondern auch Einnahmen zu generieren. Sonst destabilisiert sich der Treasury-Markt, der als sicherer Hafen dienen soll, noch weiter – und dies ausgerechnet in einer Phase, in der eine deutlich gelockerte Regulierung hochriskanten Assets blinden Zulauf bescheren dürfte.