Deutungshoheit über den Bundesetat
Notiert in Berlin
Deutungshoheit über den Bundesetat
Von Angela Wefers
Es mutet schon etwas seltsam an, dass ausgerechnet die FDP im Bundestag eine parlamentarische Anfrage zum Bundeshaushalt 2025 stellt. Dabei sollte der Anfang November von Kanzler Olaf Scholz (SPD) geschasste FDP-Chef Christian Lindner als Bundesfinanzminister die Zahlen doch in- und auswendig kennen. Die Frage etwa, wie hoch die Haushaltslücke 2025 ist, dürfte keiner besser beantworten können als er.
Einen eindrucksvollen Katalog von immerhin 28 einzelnen Fragen an die Bundesregierung umfasst der parlamentarische Vorstoß der Liberalen. Nach dem Bruch der Ampel ist die FDP Opposition im Bundestag. Sie nutzt hier das wichtige Fragerecht, um Deutungshoheit und Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Denn überraschenderweise signalisiert der nach dem Ampel-Bruch frisch angetretene Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD), dass die Bundeskasse keineswegs so knapp gefüllt ist, wie es bisher schien. Immerhin zerbrach die Ampel über dem Haushaltsstreit.
Finanzklemme löst sich
Obwohl der geplante Nachtragshaushalt 2024 dem Regierungsbruch zum Opfer fiel, scheint sich die drohende Finanzklemme in Luft aufgelöst zu haben. Eine Haushaltssperre ist nicht nötig, um allen Verpflichtungen nachzukommen, konstatierte Kukies Mitte November. Die Steuereinnahmen fließen besser als gedacht, die Ausgaben dürften im Haushaltsvollzug wohl geringer ausfallen. Mit dem Nachtragshaushalt 2024 hätte die Nettokreditaufnahme von 39 auf 50 Mrd. Euro ausgeweitet werden können – schuldenregelgerecht wegen der aktuellen Rezession. Selbst auf 10 Mrd. Euro aus der Etat-Rücklage muss der Bund anders als geplant wohl nicht zurückgreifen. Hat Lindner die Lage dramatischer dargestellt, als sie war, um die Ampel zu erschüttern? Die SPD dürfte an diesem Bild Interesse haben.
Indessen zeugt der Fragenkatalog der FDP von großer Detailkenntnis und zielt darauf, die enge Kassenlage im kommenden Jahr glaubhaft zu machen. In den Fragen wird indirekt auf eine ganze Reihe von möglichen Risiken im Zahlenwerk verwiesen: Belastungen aus der aktuellen Steuerschätzung, höhere Zinskosten, mehr Bundeszuschüsse für das Stromübertragungsnetz, etwaige Mindereinnahmen aus Uniper-Clawbacks oder Mehrausgaben für Strukturausgleich in den Kohleregionen, für Integrationskurse sowie für Bürgergeld, Unterkunft und Heizung und den Kinderzuschlag für bedürftige Familien.
In der Weihnachtszeit darf man zwar wünschen, doch von der noch amtierenden Regierung dürften wir nicht viel erfahren. Sie arbeitet ab 2025 mit der vorläufigen Haushaltsführung auf Basis ihrer Planung vom Sommer 2024. Der Bundestag hat den Etat nach dem Scheitern der Regierung nicht mehr verabschiedet. Einen Shutdown wie in den USA kennt Deutschland nicht. Gesetzliche Verpflichtungen werden erfüllt. Begonnene Vorhaben können fortgeführt werden. Neue Vorhaben liegen indessen auf Eis. Die künftige Regierung wird nach der Wahl einen Etat aufstellen und vorher einen Kassensturz machen. Dann aber wird einiges offengelegt.