BlickfeldWachstumsmärkte

Die Ernüchterung europäischer Banken in Afrika

Die Euphorie europäischer Banken für den Wachstumsmarkt Afrika ist in den letzten Jahren einer gewissen Ernüchterung gewichen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Die Ernüchterung europäischer Banken in Afrika

Banken Afrika

Europäische Banken ziehen sich aus Afrika zurück

Einst als Wachstumsmarkt der Zukunft gefeiert, reduzieren französische und britische Banken ihre Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent inzwischen wieder. Vielen ist Afrika zu schwierig und volatil.

wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris

Er wurde einst von europäischen Banken als Markt der Zukunft gefeiert. Das war vor zehn, zwanzig Jahren. Während die meisten Plätze in anderen Wachstumsregionen wie Asien und Südamerika bereits vergeben waren, bot der afrikanische Kontinent noch reichlich Chancen. Immerhin hatten 2012 gerade mal 23% der afrikanischen Bevölkerung Zugang zu Bankdienstleistungen. Das Wachstumspotenzial ist ungebrochen, denn noch immer haben rund 45% der Einwohner des subsaharischen Afrika laut Weltbank kein Bankkonto. Und mit gerade mal 763 Geschäftsbanken in den 54 afrikanischen Ländern gibt es sehr viel weniger Finanzinstitute als in Europa, Asien oder den USA.

Trotzdem ziehen sich immer mehr europäische Banken aus dem Kontinent zurück. Zuletzt sorgte Société Générale mit der Ankündigung für Schlagzeilen, sich von Aktivitäten in Äquatorialguinea, der Republik Kongo, in Mauretanien sowie im Tschad trennen zu wollen. Sie hat deshalb entsprechende Verkaufsabkommen mit den panafrikanischen Bankengruppen Vista und Coris getroffen. Tunesien, wo Frankreichs drittgrößte börsennotierte Bank mit 52,34% an der Union Internationale de Banques (UIB) beteiligt ist, könnte folgen. Bereits vor einem Jahr hatte sie beschlossen, ihren 2018 in Afrika lancierten mobilen Bezahldienst Yup einzustellen. Das Segment ist in Afrika stark umkämpft.  

Slawomir Krupa, der bei Société Générale Ende Mai das Ruder von Frédéric Oudéa übernommen hat und im September seinen Strategieplan vorstellen will, hat jetzt auch die Beteiligung an UIB auf den Prüfstand gestellt. Denn er will Kapital künftig effektiver zuweisen. Die Bank mit dem schwarz-roten Logo versichert jedoch, dass sie sich nicht komplett aus Afrika zurückziehen will. In den 13 Ländern, Tunesien nicht mitgerechnet, in denen sie auch künftig präsent sein wird, generiert sie Einnahmen von rund 1,6 Mrd. Euro. Société Générale gehört noch immer zu den größten internationalen Akteuren in Afrika und ist in Ländern wie der Elfenbeinküste, dem Senegal und Kamerun Marktführer. Mit der Ankündigung von Société Générale beschleunigt sich der Rückzug europäischer Banken aus Afrika, den Barclays 2017 eingeleitet hat. Die britische Bank hatte damals ihre Beteiligung an der inzwischen in Absa Group umbenannten Barclays Africa Group von 62,3% auf 14,9% reduziert, um sich stärker auf Großbritannien und die USA konzentrieren zu können. Ein Jahr später folgte die französische Bankengruppe BPCE, die Beteiligungen in Kamerun, Madagaskar, der Demokratischen Republik Kongo und Tunesien verkaufte.

| Quelle:

BNP Paribas wiederum hat 2019 damit begonnen, die Präsenz in Afrika zu verringern. Die größte Bank der Eurozone hat seitdem Aktivitäten in der Elfenbeinküste, in Gabun und Guinea verkauft. Im Privatkundengeschäft ist sie noch immer in Marokko und Algerien präsent, doch die Kontrolle ihrer Einheit in Tunesien hat sie inzwischen abgegeben. 

Der Rückzug der europäischen Banken gewann 2022 an Fahrt. So kündigte Standard Chartered an, Angola, Kamerun, Gambia, Sierra Leone und Simbabwe verlassen zu wollen, um sich auf schneller wachsende Märkte zu konzentrieren. Und Crédit Agricole verkaufte Ende vergangenen Jahres eine erste Tranche der Beteiligung in Höhe von 63,7%, die sie an Crédit du Maroc hält. Die verbleibenden 15% sollen innerhalb eines Jahres folgen. 

Die Gründe für den Rückzug der europäischen Banken sind vielfältig. Vor zehn, zwanzig Jahren hätten viele Afrika als unberührten Schwellenmarkt mit guten Wachstumsaussichten und einer zunehmenden Mittelschicht gefeiert, meinen Branchenkenner. So ging die African Development Bank 2012 davon aus, dass sich die Zunahme der innerhalb der letzten 30 Jahre bereits verdreifachten Mittelschicht weiter beschleunigen und die Einnahmen im Privatkundengeschäft bis 2020 um jährlich 15% zulegen dürften. 

Doch eine Reihe exogener Schocks machte die Hoffnungen zunichte. Nach der Rohstoffkrise 2015 habe die Covid-Pandemie den finanziellen Spielraum vieler afrikanischer Regierungen weiter eingeschränkt und sie weiter in die Verschuldung getrieben, erklären die Experten des Thinktanks NTU-SBF Centre for African Studies der Nayang Technological University in Singapur. „Im Gegensatz zu Zentralbanken in Industrieländern haben Zentralbanken in Afrika Schwierigkeiten gehabt, ausreichend Liquidität zur Verfügung zu stellen, um Geschäftsbanken zu unterstützen.“ Die finanziellen Hilfen seien oft zu Lasten der Gewinnmargen gegangen. Regulatorische Übergriffe in Ländern wie Nigeria, Tansania und Simbabwe hätten ebenfalls nicht geholfen, urteilen sie.

Die Ernüchterung ist jedoch auch dem verstärkten Wettbewerb geschuldet. Denn inzwischen wetteifern China, Indien, die Türkei und Russland ebenfalls um Afrika. Während sich europäische Banken zurückziehen, bauen Wettbewerber aus Marokko und dem Mittleren Osten ihre Präsenz aus. Mittlerweile gibt es aber auch afrikanische Investoren, die mit Hilfe internationaler Institutionen panafrikanische Finanzgruppen gründen wollen.

Dazu kommen Fintechs und mobile Bezahldienste von Telekomanbietern wie Orange, Vodafone oder Safaricom aus Kenia. Kunden hätten mit ihrer Hilfe eine Alternative zu den Banken gefunden, die nicht unbedingt einen guten Ruf hätten, schreibt die Zeitung „Journal de l‘Afrique“. Französische Banken hätten zuletzt nicht hoch im Kurs gestanden, weil Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam ihnen vorgeworfen hätten, mit zur Verschuldung zahlreicher afrikanischer Staaten beizutragen.

Mögliche Compliance-Risiken hätten zumindest bei BNP mit den Ausschlag für die Reduzierung der Präsenz in Afrika gegeben, heißt es in Paris. Die US-Justiz hatte der französischen Bank 2014 eine Rekordstrafe von 8,9 Mrd. Dollar aufgebrummt und ihr unter anderem vorgeworfen, US-Sanktionen bei Geldgeschäften mit dem Sudan verletzt zu haben. Bei BPCE wiederum gab es 2016 Korruptionsvorwürfe gegen Mitarbeiter in Kamerun. Die steigenden Compliance-Auflagen von Regulierungsbehörden dürften auch bei der Entscheidung anderer europäischer Banken, sich aus Afrika zurückzuziehen, eine Rolle spielen. Denn es ist nicht einfach, tausende von Kilometern entfernte Einheiten in teils von Konflikten geprägten Ländern zu kontrollieren.