Die künstliche Intelligenz und die behäbige EU-Politik
Axel Voss ist ungehalten. Im November hatte der CDU-Abgeordnete seinen ambitionierten Bericht zum Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) im Europaparlament vorgestellt. Seither sind bei ihm 1384 Änderungsanträge eingegangen. Es wurde schon vereinzelt geunkt, der ganze Bericht müsse noch einmal komplett umgeschrieben werden. Dies hat Voss gestern im „Aida“ von sich gewiesen – also nicht in der Verdi-Oper natürlich, sondern im Sonderausschuss „Artificial Intelligence in a Digital Age“, den das EU-Parlament im September 2020 ins Leben gerufen hatte. Was Voss aber nervt, ist, dass sich vor allem wieder die ganzen Bedenkenträger zu Wort gemeldet haben. Die Risiken der KI seien gegenüber den Chancen in den Anträgen stark überbewertet worden, sagte der 58 Jahre alte Jurist im Ausschuss. „Es wäre nicht hilfreich, wenn es dabei bleibt.“
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Voss hofft immer noch, dass sein KI-Bericht nicht das Schicksal von so vielen anderen Berichten in Brüssel teilen wird, die zwar mit Lob bedacht, dann aber in irgendwelchen Schubladen abgelegt werden, ohne dass sie irgendetwas bewirkt hätten. „Wir wollen der EU-Kommission eine echte KI-Strategie für Europa an die Hand geben“, sagt Voss. Es gehe schließlich darum, den Brain Drain aus der EU zu stoppen. Es gehe darum, der Gefahr, dass Europa im Bereich Artificial Intelligence von den USA und China abgehängt werde, etwas entgegenzusetzen. Die Förderung von KI hat für ihn eine hohe wettbewerbliche Relevanz. Das Parlament müsse jetzt zeigen, „wie ernst unsere Lage ist“, betont Voss.
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Diese Lage hindert das EU-Parlament selbst allerdings nicht daran, die eigene Arbeit im Bereich der KI in einer wenig effizienten Art und Weise zu organisieren: Denn während der Aida-Sonderausschuss noch an seinem Bericht gearbeitet hat, hat die Europäische Kommission im vergangenen April schon längst einen Gesetzesvorschlag zur Regulierung von KI vorgelegt, der weit über Europa hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt hat – schließlich könnte die EU damit den weltweit ersten Rechtsrahmen im KI-Bereich setzen. Dies könnte aber noch dauern: Da das EU-Parlament keinen Digitalausschuss hat, brauchten die Abgeordneten nämlich satte sieben Monate, um ihre internen Zuständigkeiten zu klären und die Ausschüsse auszuwählen, die – parallel zu Aida – das Thema bearbeiten. Erwartet wird in Brüssel mittlerweile, dass es noch bis 2023 dauert, bis das EU-Parlament zum Gesetzesvorschlag der Kommission eine abgestimmte Positionierung gefunden hat. Über den Aida-Initiativbericht will das Plenum des EU-Parlaments immerhin schon in diesem Mai abstimmen.
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Bis dahin dürften allerdings im Sonderausschuss gerade im Bereich des Datenschutzes noch so einige Diskussionen zu führen sein. Axel Voss, der ja in der letzten Legislaturperiode als Berichterstatter für eine Urheberrechtsreform und den damit verbundenen Upload-Filtern schon den ganzen Hass der digitalaffinen Jugend auf sich gezogen hatte („Zerstörer des Internets“), sind die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nämlich viel zu restriktiv. „In ihrer aktuellen Form führt die DSGVO zu Kostenexplosionen, behindert die digitale Transformation massiv und stellt andere Grundrechte in den Hintergrund“, kritisierte er gestern in einer Anhörung. Und dies gilt natürlich insbesondere für KI-Entwicklungen, die ja ohne eine intensive Datenfütterung nicht funktionieren können.
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Nach Einschätzung des CDU-Politikers sollte die EU beginnen, jährlich 1 Mrd. Euro in die weitere Entwicklung der künstlichen Intelligenz zu investieren. Aus dem durchaus vorhandenen Know-how müssten endlich auch Business-Strategien entwickelt werden, allen voran in den Bereichen Klimapolitik und Gesundheit, sagt Voss. In den 1384 Änderungsanträgen zu seinem Bericht seien zu den Einsatzmöglichkeiten von KI aber leider viel zu wenig Ideen gekommen.