KommentarEuro-Clearing

Europas Langsamkeit

Brüssel will weitere drei Jahre erlauben, Euro-Terminkontrakte in London verrechnen zu lassen. Der Beschluss offenbart Europas Behäbigkeit bei einem wichtigen Thema.

Europas Langsamkeit

Euro-Clearing

Europas Langsamkeit

Von Detlef Fechtner

Es klingt wie eine Nebensache. Die EU-Kommission will die Verrechnung von Euro-Terminkontrakten in London drei weitere Jahre erlauben. Von wegen Nebensache! Die EU nimmt damit noch länger in Kauf, dass sie nichts zu sagen hätte, falls es im – maßgeblich von europäischen Akteuren betriebenen – Euro-Clearing zu Schieflagen käme und Hunderte Milliarden Euro nötig wären, um die Krise zu bewältigen. Obwohl sich Europäische Zentralbank (EZB) und die europäische Marktaufsichtsbehörde ESMA darüber große Sorgen machen. Und obwohl die EU-Gesetzgeber dieses Risiko eigentlich verringern wollen. Warum also verlängert die EU-Kommission trotzdem den Äquivalenzbeschluss noch einmal?

Jähes Ende würde Turbulenzen auslösen

Vorneweg: Es ist ja völlig richtig, dass Brüssel die Verrechnung in London drei Jahre länger duldet. Ein jähes Ende des Clearings von Zinskontrakten in der britischen Hauptstadt würde Turbulenzen auslösen. Zudem geht es nicht nur um Anleihederivate am London Clearing House, sondern auch um Rohstoffkontrakte. Es wäre fatal, wenn Siemens, VW & Co. von jetzt auf nun der Zugang zur London Metal Exchange abgeschnitten wäre. Und sogar langfristig spricht vieles dafür, dass in London ein Teil der Euro-Zinsderivate verrechnet wird. Aber eben nur ein Teil – nicht wie aktuell der weit überwiegende Teil.

Terminbörse Eurex hat sich bewiesen

Denn die Frankfurter Terminbörse Eurex hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass an ihr die gleichen Preise gestellt werden können wie in London. Und dass sie Clearing für deutsche Versicherer oder französische Investmentfonds mindestens so attraktiv anbieten kann wie ihr britischer Gegenpart. Bisher setzt der EU-Gesetzgeber dennoch nur zurückhaltend Mittel ein, um die Verlagerung von Geschäft auf den Kontinent zu beschleunigen. Die Erwartungen jedenfalls, dass die neue Pflicht zu einem „aktiven Konto“ in der EU die Marktanteile zwischen LCH und Eurex spürbar verschiebt, sind eher gedämpft.

Die Verlängerung der Äquivalenz sollte daher ein Weckruf sein. Die Behäbigkeit der europäischen Gesetzgeber beim Euro-Clearing ist Ausdruck der Langsamkeit Europas, wenn es darum geht, Chancen zu ergreifen oder Risiken zu mindern. Denn die Sorge der Aufseher ist begründet. Gerade in stürmischen geopolitischen Zeiten sind Verwerfungen an Märkten und Schieflagen nicht auszuschließen. In Notfällen aber nicht über Margins und Haircuts auf dem Markt der EU-Terminprodukte mitbestimmen zu können, wäre fatal.

Die EU nimmt in Kauf, noch länger nichts zu sagen zu haben, falls es im Euro-Clearing zu Schieflagen käme.

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