Ein erster Schritt auf dem Weg zur Autokratie?
Ein erster Schritt auf dem Weg zur Autokratie?
Offizielle Auszählung der Wahlmänner besiegelt Trumps Durchmarsch bei der Präsidentschaftswahl.
Schon vor seinem Amtsantritt stellt er die Weichen für eine noch nie dagewesene Machtfülle des Präsidialamts.
Von Peter De Thier, Washington
Vier Jahre sind seit Donald Trumps Präsidentschaft verstrichen, und am 20. Januar wird der Republikaner seine zweite Amtszeit im Oval Office des Weißen Hauses antreten. Seit Trumps Abschied hat sich die US-Demokratie, die mit dem Sturm auf das Kapitol 2021 ins Wanken geraten war, erkennbar stabilisiert. Das kommt nicht zuletzt in der Auszählung der 438 Elektorenstimmen zum Ausdruck, die am Dienstag in den Hauptstädten der 50 US-Staaten stattfindet. Die Wahlmänner werden den überzeugenden Wahlsieg des ehemaligen und künftigen Präsidenten besiegeln – ohne große Aufregung oder Anzweiflungen.
Unterdessen rankt sich eine zentrale Frage um die Neuauflage der Trump-Präsidentschaft: Wird er die US-Demokratie festigen, die er unter seinem Vorgänger Joe Biden als „gefährdet“ bezeichnete? Zweifel sind angebracht, denn seine Bekundungen gehen in eine ganz andere Richtung. Und Trump hat während seiner ersten Amtsperiode gelernt, die Schalthebel nun viel effizienter in seinem Sinne einzusetzen. Wird er also den Rechtsstaat eher stärken oder unterlaufen? Wird er wie in der Wirtschafts-und Handelspolitik über Dekrete den Kongress umgehen? Wird er außenpolitisch gültige, internationale Abkommen einfach ignorieren? Inwieweit zeugt seine Personalpolitik, die von Ideologie und persönlicher Loyalität geprägt ist, von seinen Vorhaben? Und wie behandelt er die rechtsstaatlichen Institutionen, die er im Wahlkampf noch mit Misstrauen überzogen hat?
Prozedurale Formalität
Die aktuelle Auszählung der Elektoren signalisiert zunächst die gewisse Erholung der Demokratie. Jahrzehntelang hatten weder die Medien noch die Öffentlichkeit von der amtlichen Bestätigung des Wahlausgangs überhaupt Notiz genommen. Denn es handelt sich eigentlich um eine Formalie. In diesem Jahr bestätigten die Parlamente von Tallahassee bis Harrisburg und in anderen Staaten quasi offiziell Trumps Sieg. Die Wahlaufseher unterschrieben sogenannte „Festellungszertifikate“ – „certificates of ascertainment“, die nun an das Nationalarchiv in Washington gehen werden. Am 6. Januar 2025 wird dann der Senatspräsident – Vizepräsidentin Kamala Harris – die Stimmen auszählen und Donald Trump als 47. Präsidenten „zertifizieren“.
Ganz anders ging es aber zu, und alles andere als eine prozedurale Formalität war das Verfahren aber vor vier Jahren. Trump, sein damaliger Anwalt Rudy Giuiliani und die republikanischen Parlamentsvorsitzenden in sieben Staaten wollten den legitimen Sieg des Demokraten Joe Biden nicht anerkennen. Sie tüftelten einen komplexen Plan aus, um eine Liste „alternativer Wahlmänner“ nach Washington zu schicken.
Gesetzeslücke ausnutzen
Die Advokaten beriefen sich auf eine zweideutige Gesetzeslücke. Diese hätte es dem damaligen Vizepräsidenten Mike Pence erlaubt, „falsche Elektoren“ anzuerkennen und Trump zum Sieger zu erklären. Pence weigerte sich aber. Das wiederum pflasterte den Weg für den blutigen Aufstand am 6. Januar, bei dem aufgebrachte Trump-Anhänger sogar die „Hinrichtung“ seines Stellvertreters forderten.
So undramatisch wie am Dienstag in den 50 Hauptstädten wird diesmal auch Trumps Bestätigung am 6. Januar über die Bühne gehen. Wie aber geht es weiter, wenn der Immobilien-Tycoon zwei Wochen später die Regierungsgeschäfte übernimmt? Trump hat bereits angekündigt, dass die Begnadigung vieler der Randalierer vom 6. Januar zu seinen ersten Amtshandlungen zählen wird. Ein Schlag ins Gesicht des Rechtsstaats und insbesondere der Gerichte, die zuvor die Gewalttäter rechtskräftig verurteilt hatten. Danach könnte wie auch 2017 der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen folgen. Zudem plant der Republikaner, umfassende Einfuhrzölle zu verhängen.
Wollten frühere Präsidenten Handelspartner mit Zöllen bestrafen, warteten sie zumindest, bis der Kongress Sanktionen gesetzlich festschrieb. Trump hingegen will die Abgaben – für Einfuhren aus Europa bis zu 20% und für chinesische Importe bis zu 60% – im Alleingang anordnen. Berufen könnte er sich dabei auf den „International Emergency Economic Powers Act“ (IEEPA) oder den „Trading with the Enemy Act“ (TWEA), der aus dem Jahr 1917 stammt. Diese räumen einem Präsidenten im Falle eines „nationalen Notstands“ oder beim „Handel mit Feinden“ unbegrenzte Vollmachten ein. Wann aber ein „Notstand“ vorliegt oder ein Handelspartner ein „Feind“ ist, das bestimmt Trump.
Trumps Streben nach unbegrenzter Macht schlägt sich auch in seinem Verhältnis zur Notenbank nieder. Schon 2018 versuchte er, die Geldpolitik zu beeinflussen. Lange vor dem Konjunktureinbruch als Folge der Corona-Pandemie forderte er die Fed zu Zinssenkungen auf. Auch stellt er deren Unabhängigkeit in Frage. Dabei wurde sie 1913 bewusst als politisch autonome Institution gegründet. Denkbar ist, dass Trump versuchen wird, Fed-Chef Jerome Powell aus dem Amt zu ekeln. Sollte dieser nachgeben, könnte Trump einen Loyalisten ernennen.
Wenigstens in der Haushaltspolitik und bei der Auflösung von Ministerien sind den autokratischen Anwandlungen Grenzen gesetzt. Für Steuersenkungen und Budgetbeschlüsse benötigt er die Zustimmung beider Kongresskammern. Dort hilft wiederum, dass die Republikaner mindestens zwei Jahre lang in der Mehrheit sind und sich den Wünschen des Präsidenten beugen werden.