Ein guter Grund zum Heulen
Equal Pay Day und Internationaler Frauentag
Ein guter Grund zum Heulen
ba Frankfurt
Equal Pay Day und internationaler Frauentag sind für Frauen immer noch wahrlich keine Feiertage. Sie zeigen eher an, wie schlecht es noch um die Gleichstellung der Geschlechter hierzulande bestellt ist. Die Lohnlücke wird zwar kleiner, doch nur quälend langsam. Die 2 Prozentpunkte runter auf 16% waren der erste Fortschritt seit längerem und so stark wie nie in der seit 2006 laufenden Zeitreihe. Und beruhen allein auf dem prozentual stärkeren Anstieg der Bruttomonatslöhne von Frauen. Die Statistiken, die jährlich diverse geschlechterbedingten Unterschiede messen, zeigen auch in der aktuellen Auflage kaum Verbesserungen für die 51,7% der erwachsenen Bevölkerung mit deutscher Staatsbürgerschaft, die weiblich sind.
Fortschritt mit bitterem Beigeschmack
Nur dank des niedrigeren Gender Pay Gap ist auch der Gender Gap Arbeitsmarkt um 2 Prozentpunkte auf 37% gesunken. Neben der Verdienstlücke pro Stunde (Gender Pay Gap) betrachtet dieser zusätzlich die Unterschiede in der bezahlten monatlichen Arbeitszeit (Gender Hours Gap) und in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern (Gender Employment Gap). Je höher der Wert, desto stärker ist die Verdienstungleichheit.
In den vergangenen zehn Jahren haben sich laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) die Verdienst- und Beschäftigungssituationen von Frauen und Männern angenähert − vor allem, weil die Bruttostundenverdienste der Frauen seit 2014 stärker als die der Männer gestiegen sind. Dies aber vor allem, da ihre Arbeitszeit konstant geblieben, die der Männer aber zurückgegangen ist. Zudem gab es bei den Frauen größere Fortschritte bei der Erwerbstätigkeit. Allerdings eher in die Teilzeit denn an die Unternehmensspitzen.
Zwar sind mit 19,7% derzeit so viele Frauen wie noch nie in den Vorständen deutscher Top-Konzerne. Der Weg generell zu Führungspositionen ist aber länger und steiniger und die Verweildauern kürzer als die der Männer. Start-up-Gründerinnen wiederum erhalten nur einen Bruchteil des Risikokapitals, das Gründer einsammeln können.
Auch im öffentlichen Bereich ist noch Luft nach oben
Kaum besser sieht es im öffentlichen Bereich aus. An der politischen Spitze etwa besetzen Frauen auf Länder- und Bundesebene gerade mal ein Drittel der Positionen − im neu gewählten 21. Bundestag beträgt der Frauenanteil 32,4%. Der erste Gleichstellungsatlas des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2008 berichtete über 31,8%.
Destatis nennt für 2023 einen Frauenanteil von 28,7% für Führungspositionen in Unternehmen oder im Verwaltungsdienst, bei Landesgerichten sind 32,8% der Richter- und Staatsanwaltschaft weiblich, bei Bundesgerichten 38,1% sowie 28,8% bei den hauptberuflichen Professuren an hiesigen Hochschulen. Die 42,6% bei obersten Bundesbehörden klingt zwar nicht schlecht. Bedenkt man aber, dass es 2015 noch 32,6% waren, scheint das Ziel von 50% im Jahr 2025 utopisch.
Unterrepräsentiert sind Frauen auch auf der obersten Führungsebene von Banken. Bei den öffentlichen Banken liegt der Frauenanteil bei 27,4%, in den 100 größten deutschen Banken sind es lediglich 20,7%. Geht es um die Position des Vorsitzenden des Vorstands oder der Geschäftsführung liegen die Anteile mit 18,0% bzw. 12,1% deutlich niedriger.
Weniger Geld und mehr unbezahlte Arbeit
Geringere Stundenlöhne, die nicht immer freiwillige Teilzeitarbeit und die Berufswahl führen zu niedrigeren Verdiensten und Renten und erhöhen das Risiko, dass Frauen in die Altersarmut rutschen. Nur in 10,3% der Paarhaushalte ist die Frau Hauptverdiener, bei 33,1% sind die Nettoeinkommen in etwa gleich hoch. Immer noch lastet der Löwenanteil der unbezahlten familiären Care Arbeit auf Frauen.

Wobei dazu mehr gehört als die schlichte Kinderbetreuung, etwa Pflege, Putzen, Waschen, Kochen, Einkaufen und vieles mehr. 10,6 Stunden Hausarbeit der Frauen stehen 6,7 Stunden der Männer gegenüber, die allerdings immer noch zu fast zwei Dritteln der Ansicht sind, die häuslichen Tätigkeiten seien gleich verteilt. Ein lästiges Ergebnis der traditionellen Rollenbilder. Dabei arbeiten 73,6% der Frauen, bei Müttern mit mindestens einem Kind unter drei Jahren sind es 39,9%. Die allerdings 27,6 Stunden weniger pro Woche arbeiten als Männer. 49,9% der gesamten weiblichen Bevölkerung gehen nur einer Teilzeitbeschäftigung nach. Kein Wunder, werden doch gerade einmal 17,3% der bis zu 2-jährigen und 46,6% der bis zu 5-jährigen in Tageseinrichtungen betreut.
Familiengründung für Frauen fatal
Der Gender Pay Gap steigt einer DIW-Studie zufolge mit zunehmendem Alter deutlich, vor allem aber in der Phase der Familiengründung. Und zwar in allen Bildungsgruppen, am stärksten aber für Beschäftigte mit abgeschlossenem Hochschulstudium. Hier beträgt der Gender Pay Gap ab einem Alter von 45 Jahren bis zu 28%, in den übrigen Bildungsgruppen sind es 20%. Mit rund 10% ist die geschlechtsspezifische Lohnlücke im Alter von 25 bis 29 Jahren kleinsten.
Die Statistiken sind ebenso wie der sich verschärfende Fachkräftemangel ein Weckruf, das brachliegende Potential bei Frauen zu heben. Vielfalt in Unternehmen sorgt für Kreativität und Innovation und schließlich Wertschöpfung.
Bei der Bildung ansetzen
Stellschrauben wären neben einer höheren Dotierung frauentypischer Berufe, besserer Kinderbetreuung und flexibleren Arbeitszeitmodellen mehr Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung. So haben nach wir vor Jungen (und auch Männer) die Nase vorn beim Rechnen, Mädchen (und auch Frauen) beim Lesen. Ein gutes Argument, gegen Stereotype bei der Berufswahl anzugehen und das weibliche Geschlecht stärker für die sogenannten MINT-Fächer zu begeistern.
Sowohl in finanzieller als auch zeitlicher Hinsicht unterstützen Unternehmen Männer immer noch stärker als Frauen bei der betrieblichen Weiterbildung. „In Branchen und Berufen, in denen überwiegend Männer arbeiten, etwa in der industriellen Produktion, im Informations- und Kommunikationssektor sowie im Banken- und Versicherungswesen, ist der Gender Gap bei Weiterbildungen deutlich höher zulasten von Frauen als in Berufen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in Erziehung und Unterricht“, stellt etwa das WSI fest. Frauen besuchen zudem häufig kürzere Fortbildungen von nur wenigen Stunden, während Männer der Weiterbildung eher mehrere Tage widmen.
Eigeninitiative gefragt
Wenig überraschend auch die Erkenntnis, dass Männer eher dank der Förderung durch den Vorgesetzten in den Genuss einer Weiterbildung kommen, Frauen hingegen eher Eigeninitiative zeigen (müssen). Fatal, nachdem kurze Weiterbildungen weniger die Karriere voranbringen, als neue Arbeitsmethoden wie etwa Softwareprogramme vorstellen oder bestehende Fachkenntnisse auffrischen beziehungsweise vertiefen. Tiefer gehenden Input und Wissen, das die Aufstiegschancen tatsächlich erhöhen kann, versprechen die längeren Weiterbildungen.
Und dies, obwohl seit langem mehr Frauen Abitur machen und seit dem Wintersemester 2021/22 zudem mehr Frauen als Männer an den deutschen Hochschulen eingeschrieben sind. Wobei sich mittlerweile auch die Rollenklischees nicht mehr so stark in den Studienfächern widerspiegeln. Allerdings gilt zu bedenken, dass derweil traditionell weiblich dominierte Berufe akademisiert wurden, also viele Berufsbilder − etwa aus den Bereichen Pflege oder Therapie − nun via Studium statt Ausbildung gelehrt oder vertieft werden.