London

Ein Hauch von Orange County

Die Pleite von Slough hat keine so großen Wellen geschlagen wie einst der Bankrott von Orange County. Die Bewohner der Nachbargemeinde von Eton werden lange unter ihren Folgen leiden.

Ein Hauch von Orange County

Eton-Absolventen sagen gerne, sie hätten eine Gesamtschule in Slough besucht. Man kann sich darüber streiten, ob das typisch britisches Understatement ist oder Ausdruck der Verachtung, mit der die privilegierte Oberschicht den Bewohnern der Nachbargemeinde von Eton begegnet, die in der Regel nicht auf Rosen gebettet sind.

Folgt man an der Eliteschule dem Motto „Floreat Etona“ – Blühe auf, Eton! –, kann davon auf der anderen Seite des River Jubilee nicht die Rede sein. Slough wählt traditionell Labour, vielleicht in dem Glauben, dass es sich dabei um die Partei der kleinen Leute handelt – mit verheerenden Auswirkungen: Im vergangenen Jahr wurde die Lokalverwaltung, der Slough Borough Council, zahlungsunfähig. Sie hatte Schulden im Volumen von 760 Mill. Pfund aufgehäuft. Josie Wragg, die seit 2018 an ihrer Spitze stand, wurde im März mit unmittelbarer Wirkung entlassen.

Prüfer der Regierung kamen zu dem Schluss, dass der Bankrott „die direkte Konsequenz in der Vergangenheit getroffener Entscheidungen und gemachter Fehler“ sei. „Sie können nicht rückgängig gemacht werden.“ Sie attestierten der Lokalverwaltung zudem, nicht über ausreichend kompetentes Personal zu verfügen. „Es gibt wenig Belege dafür, dass der Council die Gesamtheit seiner kommerziellen Investments und deren Auswirkungen auf seine Finanzen versteht“, sagte die für Lokalverwaltungen zuständige Staatssekretärin Kemi Badenoch. In der „dysfunktionalen Kultur“ der Lokalverwaltung sei es zu einem „Zusammenbruch von genauer Prüfung und Verantwortlichkeit“ gekommen.

Die Pleite von Slough schlug keine so großen Wellen wie einst der Bankrott von Orange County in Kalifornien. Die Lokalverwaltung hatte ambitioniert in Immobilien investiert – auf Pump versteht sich. Dazu gehörte ein 54 Mill. Pfund teurer Neubau für die Gemeindeverwaltung. Man will ja nicht, wie japanische Staatsdiener, in mitunter baufälligen Gebäuden mit knirschenden Linoleumböden sein Dasein fristen, um das Geld der Steuerzahler nicht zu verschwenden. Nein, lieber gab man beim Einzug vor drei Jahren 28 000 Pfund für Zimmerpflanzen aus, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter sicherzustellen und das Risiko zu vermindern, dass sie am Sick-Building-Syndrom erkranken, das sich in Kopfschmerzen und Atemproblemen äußert. Man hatte auch noch 20 000 Pfund für einen Gärtner übrig, der sich um die Pflanzen kümmern sollte. Außerdem investierte Slough in drei Freizeitzentren, eine Eislaufbahn und subventionierte Eigentumswohnungen sowie in Gewerbeimmobilien – mit erheblichen finanziellen Risiken. Jim Taylor, der ehemalige Chef des Salford City Council, bemängelte in einem Untersuchungsbericht unzureichende Governance und mangelhafte Dienstleistungen. Dass das WLAN im neuen Hauptquartier der Verwaltung nicht funktionierte, mag man noch für eine Kleinigkeit halten. Dass der Council vorübergehend nicht in der Lage war, Schecks von Bürgern einzureichen, ist ein großes Problem. Schließlich zahlen trotz aller Fortschritte bei der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs immer noch viele Briten gerne auf diese Weise.

Nun wird die Gemeinde bis zu 600 Mill. Pfund ihrer auf 1,2 Mrd. Pfund bezifferten Vermögenswerte verkaufen müssen. Ihren Bewohnern stehen höhere Gebühren und Abgaben sowie eine Reduzierung der angebotenen Dienstleistungen bevor. Die Regierung benannte Aufseher, die drei Jahre lang dafür sorgen sollen, dass Slough wieder auf die Füße kommt. Bemerkenswert ist, dass Labour bei den Kommunalwahlen im Mai nur ein Mandat im Gemeinderat an die Konservativen abgeben musste. Vielleicht haben die Wähler in Slough nicht verstanden, dass es bei diesen Wahlen nicht darum ging, wer in 10 Downing Street sitzt. Labour wird vermutlich alles daransetzen, ihnen weiszumachen, dass Boris Johnson für die Einschnitte bei den kommunalen Dienstleistungen verantwortlich ist, die ihnen nun ins Haus stehen. Man darf gespannt sein, wie es den Besserverdienern im Londoner Stadtteil Wandsworth ergeht, die sich im Mai für Labour entschieden haben. Eigentlich müsste ihnen klar sein, dass sich die versprochene niedrigere Ge­meindesteuer nicht mit einem Ausbau des Dienstleistungsangebots vereinbaren lässt.