KommentarTrump-Urteil

Eine Demokratie im Wanken

Trotz des Schuldspruchs gegen ihn könnte Donald Trump der nächste US-Präsident werden. Dies wiederum unterstreicht den gefährlichen Wandel, der sich in der US-Demokratie vollzogen hat.

Eine Demokratie im Wanken

Trump-Urteil

Wankende Demokratie

Von Peter De Thier

Das Urteil gegen Trump und seine Siegeschancen illustrieren die Fragilität der US-Demokratie.

Nach dem historischen Schuldspruch gegen Donald Trump haftet dem republikanischen Spitzenkandidaten ein beschämendes Etikett an, das er bis zum Wahltag am 5. November nicht wird abschütteln können: Donald J. Trump, Straftäter. Die Ironie besteht darin, dass es sich bei der Fälschung von Geschäftsunterlagen, mit der Trump vor der Wahl im Jahr 2016 seine Affäre mit einer ehemaligen Porno-Darstellerin kaschieren wollte, um das geringste seiner Übel handelt. Gravierender sind die Verfahren wegen der Anzettelung des Aufstands im US-Kapitol, der Wahlmanipulation und der illegalen Mitnahme geheimer Dokumente. Diese Prozesse konnte Trump aber so lange hinauszögern, dass keiner vor der Wahl stattfinden wird.  

Unterdessen illustriert die Tatsache, dass Trump ungeachtet der Strafprozesse und des Schuldspruchs durchaus der 47. Präsident werden könnte, den teilweisen Verfall der US-Demokratie. Als sich vor 50 Jahren im Zusammenhang mit der Watergate-Affäre die Beweise gegen den damaligen Präsidenten Richard Nixon häuften, kehrten ihm republikanische Parteifreunde den Rücken. Dann legten sie ihm den Rücktritt nahe. Nixon zog die Konsequenzen und legte sein Amt nieder.

Republikaner scharen sich um Trump

Heute aber scharen sich Republikaner um Trump. Sie schimpfen über eine angeblich korrupte Justiz. Sie geißeln das einstimmige Urteil zwölf unabhängiger Juroren als „politisch motivierte Hexenjagd“, die darauf abzielt, den Wahlausgang zu beeinflussen. Dass dies gelingen kann, liegt daran, dass die US-Demokratie und der Rechtsstaat unter Trumps Ägide bereits schweren Schaden genommen haben.

Seit Jahren stellt Trump die Integrität der Justiz und die Legitimität demokratischer Institutionen nur deswegen in Frage, weil diese ihn enttarnt und schließlich überführt haben. Solange seine Parteifreunde sich dieser Lüge anschließen und Trumps Wähler ihm den Rücken stärken, kann er die Demokratie weiter aushöhlen. Dass eine zweite Trump-Präsidentschaft unverkennbar autokratische Züge aufweisen würde, hat er unmissverständlich signalisiert.

Dass Trump als Gegner weiter ernst zu nehmen ist, das weiß auch Präsident Joe Biden. Ihm ist bewusst, dass die bisherigen Verfahren Trump nicht nur keinen politischen Schaden zugefügt, sondern ihn beflügelt haben. Das könnte nun aber anders sein. In Umfragen haben ein Fünftel der Republikaner und der unabhängigen Wähler gesagt, dass sie nach einer strafrechtlichen Verurteilung Trump ihre Stimme verweigern würden. In einem knappen Rennen könnte das in den entscheidenden „Swing States“ den Ausschlag zugunsten des amtierenden Präsidenten geben.

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