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Enron und das Comeback des Jahres

Der Energiekonzern Enron feiert über zwei Jahrzehnte nach seinem Kollaps ein Comeback - mit einem Augenzwinkern. Die Erinnerung an den Bilanzfälschungsskandal kann einigen Marktteilnehmern nur guttun.

Enron und das Comeback des Jahres

Notiert in New York

Enron und das Comeback des Jahres

Von Alex Wehnert

Fans von Finanzskandalen feiern das Comeback des Jahres: Zum Wochenstart ist die Seite Enron.com ans Netz gegangen. Der Webauftritt führt den Namen des amerikanischen Energiekonzerns, dessen Bilanzfälschung im Jahr 2001 die Big-Five-Buchhaltungsfirma Arthur Andersen zu Fall brachte und Wellen der Verunsicherung durch den Aktienmarkt sandte. Auf der nun lancierten Homepage läuft ein Countdown herunter, der am kommenden Dienstag auf null stehen wird – dann will Enron.com etwas „ganz Besonderes“ präsentieren.

Spekulation um neuen Token

Die Slogans auf der Webseite und in einem Werbevideo bestehen aus typischen Corporate-Plattitüden: „Wachstum entsteht aus den Lektionen, die wir lernen“, „Integrität leitet unsere Handlungen“ oder „Unsere Geschichte mag uns geformt haben, aber sie wird nicht bestimmen, zu wem wir werden“, heißt es dort nebulös. In einem Abschnitt unter der Überschrift „Dezentralisierung“ tönt die vermeintliche Nachfolgerin des Skandalkonzerns: „Echte Innovation wartet nicht auf Erlaubnis“, was unter Krypto-Jüngern begeistertes Geschnatter über einen neuen Token auslöste – schließlich sind mit über 20.000 verschiedenen Cyberdevisen noch nicht genug größtenteils wert- und zwecklose Digital Assets im Umlauf, in die skrupellose Spekulanten und arglose Privatanleger ihr Geld versenken können.

Von Vögeln überwacht

Wer genauer in die Geschäftsbedingungen schaut, findet aber schnell heraus, dass die Informationen auf der Webseite eine „durch den ersten Verfassungszusatz geschützte Parodie“ darstellen sollen. Tatsächlich sind die Markenrechte von Enron seit einem ganze 275 Dollar schweren Verkauf 2020 im Besitz der Firma College Company, deren Gründer Connor Gaydos und Peter McIndoe bereits die satirische Verschwörungstheorie „Birds Arent Real“ gestartet haben. Gemäß dieser handelt es sich bei Vögeln eigentlich um Drohnen, mit denen die US-Regierung danach trachte, ihre Bürger auszuspähen – und wer schon einmal versucht hat, vor einer der mutmaßlich Millionen New Yorker Tauben Reißaus zu nehmen, dem kommt diese Idee gar nicht so abwegig vor.

Mit ihrer Enron-Seite suchen die „Bird Arent Real“-Gründer nun offenbar möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren, um zu stolzen Preisen Pullover, Mützen und Trinkflaschen mit dem Logo des kollabierten Houstoner Energiekonzerns zu verhökern. Allerdings wissen sie die Öffentlichkeit weit weniger erfolgreich an der Nase herumzuführen als die ursprünglichen Skandalnudeln an der Spitze des Unternehmens. Deren kreative Ausnutzung von Accounting-Lücken und Mark-to-Market-Bewertungstechniken erwies sich über Jahre als probates Mittel, um Milliardenschulden und Belastungen aus faulen Deals zu verschleiern.

Betrüger finden immer Mittel und Wege

Umfangreiche, im Nachgang der Enron-Insolvenz und des Zusammenbruchs der Telekommunikationsfirma Worldcom im folgenden Jahr verabschiedete Neuregulierungen wie der Sarbanes-Oxley Act sollten ähnliche Fälle in Zukunft verhindern. Die zahlreichen Bilanzfälschungsskandale der vergangenen beiden Jahrzehnte, nicht zuletzt der Kollaps der Kryptobörse FTX 2022, haben jedoch gezeigt, dass Betrüger immer Mittel und Wege finden. Die Erinnerung an Enron tut einigen allzu naiven Investoren im aktuellen Marktumfeld daher sicher ganz gut.

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