Bundeshaushalt

Etat des guten Willens

Die Rückkehr zur Schuldenbremse ist als erstes Etappenziel im Entwurf erreicht. Ob sie wirklich zieht, muss sich noch zeigen.

Etat des guten Willens

Eine Finanzpolitik der Zeitenwende hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ausgerufen. Mit dem Etatentwurf für 2023 und der mittelfristigen Finanzplanung für die folgenden drei Jahre bis 2026 hat der Finanzminister das Bundeskabinett auf Disziplin eingeschworen. Die Rückkehr zur Schuldenbremse ist als erstes Etappenziel im Regierungsentwurf erreicht. Knapp 10 Mrd. Euro neue Schulden wird die Ampel im kommenden Jahr machen – nach fast 140 Mrd. Euro in diesem Jahr. 2022 hatte der Bundestag zum dritten Mal in der Corona-Pandemie die Schuldenbremse ausgesetzt und damit die hohe Neuverschuldung ermöglicht. Ergänzt um finanzielle Transaktionen – einen großen Kredit für den Internationalen Währungsfonds und einen kleinen Kredit für den deutschen Gesundheitsfonds – sind es 17,2 Mrd. Euro Nettokreditaufnahme. Dies bewegt sich in der Defizitregel der Schuldenbremse.

Lindner ist in den Haushaltsverhandlungen standhaft geblieben. Er hat Ausgabenwünsche und Forderungen seiner Kabinettskollegen abgewendet. Kumuliert von 2023 bis 2026 waren es fast 100 Mrd. Euro im Kernhaushalt und 70 Mrd. Euro im Energie- und Klimafonds, einem Sondervermögen neben dem Kernhaushalt. Konsolidiert wird zudem. Im kommenden wird der Bund dem Etatentwurf zufolge 445 Mrd. Euro ausgeben; 50 Mrd. Euro weniger als in diesem Jahr. 2024 weist der Ausgabentrend noch einmal nach unten, erst von 2025 steigen die Ausgaben sukzessive wieder. Bei genauer Betrachtung liegt das Ausgabenniveau 2023 aber um 70 Mrd. Euro über dem Betrag, der 2019 – also vor der Corona-Pandemie – in der mittelfristigen Finanzplanung für 2023 vorgesehen war. Da die Steuereinnahmen nicht mitziehen, muss Lindner das Loch aus einer Rücklage stopfen, die aus Haushaltsüberschüssen aufgebaut worden war. Schon 2024 ist diese weitgehend aufgebraucht.

Es ist ein Haushaltsentwurf des guten Willens, belastet mit großer Unsicherheit, den das Bundeskabinett in der vergangenen Woche damit gebilligt hat. Die Rückkehr zu Ausgabendisziplin ist schon psychologisch kein leichter Schritt nach den Ausnahmejahren mit vermeintlich grenzenlosem Spielraum. Der Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise und ein Wiederaufflammen der Corona-Pandemie im Herbst sind nun die großen Unbekannten in der Rechnung. Ob die Schuldenbremse wirklich zieht, muss sich noch zeigen. Bricht die Konjunktur stärker ein als erwartet, sind die Steuereinnahmen gefährdet. Weitere Entlastungspakete für die Bürger oder Rettungsaktionen für die Wirtschaft kosten den Bund. Lindner hat erhebliche Vorsorge getroffen – rund 14 Mrd. Euro bei Einnahmen und Ausgaben. Aber es sind auch eine ganze Reihe von Plänen noch nicht finanziert: Bürgergeld, Kindergrundsicherung und Aktienrente heißen die Stichpunkte. Im Herbst steht die Revision des Einkommensteuertarifs wegen der kalten Progression an – also eine Entlastung der Steuerzahler.

Ausgabenplanung ohne das Limit der Schuldenbremse – zugunsten von Klimawende und zur Abfederung der Folgen des Ukraine-Kriegs und von Preissteigerungen – haben es der Ampel bislang vermeintlich leicht gemacht. Den Energie- und Klimafonds hat die Ampel noch 2021 unter der Ausnahme von der Defizitregel mit Kreditermächtigungen von 60 Mrd. Euro für die nächsten Jahre vollgestopft. Weitere Kredite von 100 Mrd. Euro im Sondervermögen Bundeswehr sollen die Streitkräfte besser ausrüsten und die Nato-Verpflichtung erfüllen. Mehr finanzielle Luft hat sich die Ampel auch geschaffen, indem sie die Rückzahlung der Kredite aus der Coronazeit in die nächste Legislaturperiode vertagt hat. Diese gesetzlich erforderliche Tilgung engt erst den Finanzspielraum künftiger Regierungen ein.

Die schmerzhaften Nachteile hoher Verschuldung werden aber schon jetzt deutlich, nachdem das Ende der Negativzinsperiode in Sicht ist: Die Zinsausgaben des Bundes steigen 2023 auf das frühere Spitzenniveau von rund 30 Mrd. Euro. Vor zwei Jahren noch gab der Bund nur 4 Mrd. Euro aus, auch weil die Einnahmen aus den Negativrenditen der Bundesanleihen die Zinsausgabe drückten. Steigende Schulden führen dauerhaft zu steigenden Zinsausgaben. Insgesamt 12,5 Mrd. Euro mehr als zuvor muss Lindner im nächsten Jahr dafür aufwenden. Ins Kontor schlagen die inflationsindexierten Bundesanleihen, die einen großen Teil davon schlucken. Diese Mittel fehlen für politische Gestaltung. Deshalb ist solide Haushaltspolitik in den Grenzen der Schuldenbremse nicht nur ein Verfassungsgebot, sie ist auch ein Gebot der Vernunft.

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