KommentarReaktionen auf den neuen US-Präsidenten

Europas neue Unverzagtheit

In Reaktion auf den Regierungswechsel in den USA steigt in der EU der Wille zu Maßnahmen, die für Brüsseler Verhältnisse geradezu radikal sind.

Europas neue Unverzagtheit

US-Regierungswechsel

Europas neue Unverzagtheit

Von Detlef Fechtner

Am Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump ist niemand in Brüssel so recht schlauer. Der US-Präsident hat zwar auf die unmittelbare Ausrufung von Zöllen auf Importe aus Europa und China verzichtet. Aber nach den Drohungen gegenüber Mexiko und Kanada ist die Sorge nicht kleiner geworden, dass noch etwas nachkommt. Insofern kann von Entwarnung keine Rede sein. Im Gegenteil: In Brüssel wird unter Hochdruck an Maßnahmen getüftelt, um damit umzugehen, dass der Partner USA sich in einen Kontrahenten USA wandelt. Bemerkenswerterweise stehen dabei nicht Gegenzölle im Zentrum, denn kaum jemand möchte sich gerne auf einen so gut wie aussichtslosen Handelskrieg mit Amerika einlassen. Vielmehr wird sondiert, wie die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit ihre Widerstandsfähigkeit steigern kann. Und zwar schnell.

Der Druck im Kessel ist – durch Trumps Irrlichterei verstärkt – hoch. So hoch, dass Maßnahmen sondiert werden, die für Brüsseler Verhältnisse geradezu radikal sind. Etwa die Entrümpelung von Berichtspflichten. Etwa die Aufgabe von Kennziffern wie der Green Asset Ratio. Etwa der Verzicht – nicht bloß die Verschiebung – entscheidender Basel-III-Regeln für das Handelsbuch. Was nach Pillepalle klingt, könnte sich zum großen Wurf auswachsen, mit dem die EU den Vorwurf der Bräsigkeit endlich einmal abschütteln könnte. Na klar, damit würde Europas Wirtschaft nicht automatisch wieder brummen. Aber die EU würde an Investoren das wichtige Signal senden, dass sie sich zu bewegen imstande ist.

Chance auf Mehrheit

Freilich ist da noch ein Haken. Es gibt viele, die auf der Bremse stehen. Regierungen, die kein Interesse an der Rückabwicklung von EU-Vorgaben haben. Parteien, die hinter dem Abbau von Berichtspflichten die Aufgabe klimapolitischer Ziele vermuten. Oder Berater, für die weniger Regulierung letztlich weniger Geschäft bedeutet. Trotzdem besteht gerade aktuell die Chance, in Europa eine Mehrheit dafür zu finden, dass sich die EU aktiv verändern und sich um ihre Resilienz kümmern muss.

Daran ist Trump schuld. Mit seinen wirren Ansagen und Provokationen hat er die Sorge geschürt, die EU könnte zum Spielball der USA werden. In gut vier Wochen kommt es zum Schwur. Dann hat die EU-Kommission ihr „Omnibus-Paket“ angekündigt, das die neue Unverzagtheit der EU durch spürbare Einschnitte bei Berichtsanforderungen dokumentieren soll. Falls es ernüchternd ausfallen sollte, wäre die Glaubwürdigkeit der neuen EU-Kommission demoliert, bevor sie überhaupt richtig startet.

Aus Sorge vor Trump steigt in der EU der Wille zu Veränderungen, die für Brüsseler Verhältnisse geradezu radikal sind.

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