Hausgemachte Malaise
Industrie
Hausgemachte Malaise
Frankreich droht ein roter Dezember. Angesichts der Zunahmen von Sozialplänen und Werksschließungen sehen französische Gewerkschaften rot für die heimische Industrie. Mit Streiks und Protesten will die für ihre roten Fahnen bekannte CGT die Regierung unter Druck setzen, einen Notfallplan zu ergreifen, um den Aderlass der französischen Industrie zu stoppen. Die Frage ist nur, ob die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone Ende des Jahres noch eine Regierung haben wird.
Immer mehr Beobachter fürchten, dass Premierminister Michel Barnier und sein Kabinett im Dezember über einen Misstrauensantrag stolpern könnten. Das hätte auch für die Industrie fatale Folgen, da sich das vorherrschende Klima der Verunsicherung verstärken dürfte. Unternehmen hätten noch weniger Sichtbarkeit als bisher, so dass sie Investitionen und Einstellungen weiter zurückfahren dürften. Entsprechend könnten Firmenpleiten, Werksschließungen und Sozialpläne weiter steigen.
Zu spät auf Umwälzungen reagiert
Wie Deutschland und andere Länder in Europa bekommt auch Frankreich die Krise der traditionellen Automobilindustrie zu spüren, die zu spät auf globale Umwälzungen und Trends reagiert hat. Die französische Industrie leidet wie die deutsche unter hohen Energiepreisen, billigen Konkurrenzprodukten aus China und dem Wettbewerb der durch den Inflation Reduction Act bevorteilten amerikanischen Standorten.
Ein Großteil der Probleme der französischen Industrie sind indes hausgemacht. Denn das Land hat 1980 bis 2010 gezielt auf den Dienstleistungssektor gesetzt und darüber die Industrie vernachlässigt. Die Folgen sind noch heute zu spüren, obwohl Präsident Emmanuel Macron seit seinem Amtsantritt 2017 versucht hat, Frankreich zu reindustrialisieren. Dennoch stagniert der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei gerade mal 11%, während er in Deutschland bei 21% und in Italien bei 17,5% liegt. Bei den Arbeitsplätzen sieht es ähnlich aus. Zwar hat der Anteil der Arbeitsplätze in der Industrie an der Gesamtbeschäftigung zuletzt zugenommen. Er ist aber deutlich niedriger als in der Bundesrepublik oder in Italien.
Ineffiziente Förderprogramme
Die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie lässt seit langem zu wünschen übrig. Trotz einer unternehmensfreundlichen Politik in den letzten Jahren leidet sie unter hohen Arbeitskosten, Steuern, bürokratischen Vorgaben und teils ineffizienten Förderprogrammen. Das hat Folgen: Das Handelsbilanzdefizit hat sich in den letzten 25 Jahren ausgeweitet.
Von Gesche Wüpper
Frankreichs Industrie kämpft mit ähnlichen Schwierigkeiten wie
die deutsche, doch manche Probleme sind hausgemacht.