Europäische Fintechs drängen in deutschen Markt für Business Banking
Europas Fintecs entdecken das Geschäft mit kleinen Firmen
Nach den Privatkunden rücken KMU und Selbständige ins Visier von Start-ups im Finanzsektor. Digitale Dienstleistungen bilden inzwischen den Kern des Wettbewerbs.
Von Carolin Kassella, Frankfurt
Banking für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), Selbständige und Freelancer wurde von europäischen Fintechs in den vergangenen Jahren als Wachstumsfeld ausgemacht. Entsprechend haben sie bei den klassischen Banken sukzessive Marktanteile abgreifen können. Laut Jens Wohlfahrt, Chef von Fyrst, haben die Start-ups das zum großen Teil durch aggressive Preispolitik geschafft. Dabei spiele den Fintechs, darunter viele Anbieter aus dem europäischen Ausland, die wachsende Bedeutung von digitalen Kanälen zur Neukundenakquise in die Hände. „Der Kampf um die Kunden geht in erster Linie von Online-Kanälen, etwa Vergleichsportalen, aus“, sagt Wohlfahrt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Fyrst ist das Digital-Banking-Angebot der Deutschen Bank für KMU und Selbständige. Der Marktstart erfolgte 2019. Fyrst ist somit quasi ein Start-up im Konzern. „Wir sind sehr schlank aufgestellt, allerdings mit den etablierten Strukturen für Regulatorik und Compliance im Hintergrund. Das ist im Finanzierungsgeschäft ein wichtiger Wettbewerbsvorteil“, erklärt Wohlfahrt. Aktuell seien rund 75.000 Konten bei Fyrst abgeschlossen worden. Bis Ende 2025 sollen es 90.000 bis 95.000 Konten sein.
100 Prozent digital gefordert
Fyrst zählt zum Segment Unternehmenskunden der Deutschen Bank, die zudem noch mit den zwei Marken Postbank und Deutsche Bank auftritt. Alle drei kommen laut Institut zusammen auf 800.000 Kunden. Bei der Postbank können Unternehmer zusätzlich zu den klassischen Bankdienstleistungen Beratung in Anspruch nehmen, ebenso bei der Deutschen Bank. Bei Fyrst gibt es das in der Form bewusst nicht.
Der Prozess der Kontoeröffnung könne bei Fyrst im Fall von natürlichen Personen innerhalb von zehn Minuten erfolgen, wenn alles reibungslos läuft, so Wohlfahrt. Im digitalen Banking-Zeitalter ist die Dauer der Kontoeröffnung durchaus ein wichtiger Faktor für die Wahl des Anbieters, schließlich ist Zeit eine der knappsten Ressourcen von Unternehmern und Gründern.
Demnach stellten die meisten Kunden mittlerweile den Anspruch, dass die Grundfunktionen des Bankings vollständig digital und einwandfrei funktionieren müssen, berichten verschiedene Manager. Der Kundensupport wird nicht selten rund um die Uhr eingefordert. In einschlägigen Bewertungsportalen werden niedrige Bewertungen häufig mit mangelhaftem Kundenservice begründet. Differenzierung schaffen die Anbieter indes vor allem durch unterschiedliche Produkte.
Revolut lässt inhouse abwickeln
Revolut hat sich über die Jahre zu Europas bekanntester Neobank gemausert und zählt mittlerweile nach eigener Aussage 45 Millionen Kunden weltweit. Mit „Revolut Business“ bietet das Fintech aus Großbritannien schon seit einigen Jahren Banking für Unternehmer an. Dessen Entwicklung wurde rund zwei Jahre nach dem Start der Revolut-App ins Rollen gebracht, nachdem etwa 5–10% der Privatkunden auch nach Services im gewerblichen Bereich gefragt hätten.
Auch Revolut Business beruft sich auf einen effizienten Onboarding-Prozess für Neukunden. „Wir können neue Kunden in weniger als einem Tag an Bord holen, da wir einen Großteil des Prozesses automatisiert haben“, berichtet James Gibson, Leiter von Revolut Business, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Es werde alles von internen Teams abgewickelt.
Revolut mit breiter Kundenspanne
Bei der Kundenzahl bleibt er auf Nachfrage jedoch vage. „Revolut Business wird jede Woche von Hunderttausenden aktiven Kunden genutzt. In Deutschland sind es mehrere Zehntausend“, so Gibson. Durchschnittlich kämen 20.000 neue Kunden pro Monat auf die Plattform, schrieb Revolut im Herbst 2024. Entsprechend dürfte die Kundenbasis zwischen 400.000 und 500.000 groß sein. „Unser Ziel für dieses Jahr ist es, die Zahl der aktiven Kunden in Deutschland zu verdoppeln“, fügt Gibson hinzu. Revolut bietet eine Desktop- und eine App-Version an. Dass man von den Legacy-Banken in den letzten Jahren Kunden abgreifen konnte, komme nicht von ungefähr. „Nur weil man Online-Banking über eine Website anbietet, heißt das noch lange nicht, dass man digital geworden ist“, sagt Gibson.
Mittlerweile bewege sich der „optimale“ Revolut Business-Kunde in einer Größenordnung von 1 bis 500 Mitarbeitern, durchaus eine breite Spanne. Schließlich hat ein Selbständiger oder Betreiber eines Kleinstunternehmens für sein Digital Banking andere Bedürfnisse als ein mittelständisches Unternehmen mit eigener Finanzabteilung und einem eventuell breiteren Kreis an Stakeholdern etwa im Ausland, wofür meist komplexere Produkte zum Transaktionsmanagement nötig sind.
Qonto zielt auf Kleinunternehmen
Einer der europaweit größten Wettbewerber von Revolut im Segment Business Banking ist der französische Anbieter Qonto, der hierzulande vor allem durch den Aufkauf des früheren Berliner Konkurrenten Penta im Jahr 2022 bekannt wurde. Von der deutschen Marke ist heute nichts mehr übrig. Eine Vielzahl der Qonto-Kunden hätten eine Größe von 1 bis 15 Mitarbeitern, sagt CEO Alexandre Prot im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Qonto selbst beschäftigt 1.600 Mitarbeiter in ganz Europa, die Hälfte davon sitzen in Frankreich und 130 in Deutschland.
„Deutschland ist nach Frankreich unser zweitgrößter Markt“, sagt Prot. Auch wenn viele Gründer den hohen Bürokratie-Aufwand in Deutschland bemängeln, sieht Prot hierzulande keine besonderen Hürden. „Im europäischen Vergleich ist es als B2B-Fintech in Deutschland nicht zwingend schwieriger, erfolgreich beziehungsweise profitabel zu sein.“ Auch Qonto beruft sich darauf, dass der Kundenservice 24/7 erreichbar sei. Die meisten der ausgelagerten Support-Teams seien in Europa angesiedelt.
Einen Nachteil gegenüber klassischen Banken haben Fintechs wie Qonto allerdings – aufgrund der mangelnden Bilanzgröße und oftmals fehlender Lizenzen können sie keine eigenen Finanzierungslösungen über ihre Plattform anbieten. Deshalb arbeiten manche mit externen Partnern zusammen, so auch Qonto, das unter anderem mit dem Kredit-Fintech Iwoca kooperiert. Kerngeschäft bleibe aber das Digital Banking, bekräftigt Prot.
Commerzbank berät und finanziert auch
Als größter Wettbewerber unter klassischen Banken zählt neben der Deutschen Bank mit ihren drei Marken die Commerzbank, die in ihrem Bereich „Unternehmerkunden“ Ansprechpartner für Gründer, Selbständige sowie Unternehmen bis zu einem Umsatz von 15 Mill. Euro ist.
In diesem Segment zähle sie insgesamt 900.000 Kunden, allerdings ist dabei das Beratungsgeschäft inkludiert, das bei den Fintechs ja erklärtermaßen wegfällt. Dieser ganzheitliche Ansatz sei aber bewusst gewählt: „Wir wollen die Kunden bei ihrem Wachstum begleiten – bei ihren Bankgeschäften und darüber hinaus“, teilt ein Commerzbank-Sprecher mit.
„Wir treiben die Optimierung unserer Prozesse im Kreditgeschäft oder beim Zahlungsverkehr voran, insbesondere auch mit Blick auf Digitalisierung“, so die Bank. Unter anderem werde sie den sogenannten „pre-approved Kredit“ ausweiten, bei dem der Kunde direkt einen Kredit bis zu einer bereits genehmigten Höhe erhält, ohne zusätzliche Unterlagen einreichen zu müssen.
Niedrige Eintrittsbarrieren
Ebenso betont ING Deutschland schon seit einigen Jahren, im Business Banking wachsen zu wollen. Dafür wurde 2018 die Kreditplattform Lendico erworben. Doch trotz der Tatsache, dass es der Direktbank aufgrund ihrer „Digital first“-Infrastruktur eigentlich ein Leichtes sein müsste, auch bei Unternehmerkunden rasch zu wachsen, kommt das Institut hier auf „nur“ 13.000 Kunden.
Immerhin habe man die Zahl seit 2023 gut vervierfacht, da seien es 3.000 gewesen. „Seit September 2024 bieten wir unser Geschäftskonto als neues Ankerprodukt an, zunächst für Selbständige und Freelancer. Das werden wir dieses Jahr um weitere Features erweitern“, stellt ein ING-Sprecher in Aussicht.
Auch wenn das schon eine Menge Anbieter sind, die sich im Markt tummeln, sind die Eintrittsbarrieren im Digitalgeschäft niedrig. So gibt es viele weitere, die schon länger aktiv sind oder gerade in Deutschland Geschäft aufbauen. Einer der bekanntesten ist Bunq aus den Niederlanden mit 14,5 Millionen Nutzern, das umfasst aber auch Privatkunden.
Tide, eine auf Geschäftskunden spezialisierte Neobank aus UK, zählt schon eine Million Nutzer. Neben dem Heimatmarkt ist sie auch in Indien aktiv. Letztes Jahr erfolgte der Marktstart in Deutschland. Dafür wurde die ehemalige Paypal-Managerin Anna Fromme-Schoen an Bord geholt.