Höttges’ Hausaufgaben
Tim Höttges hat sich in seinen acht Jahren an der Spitze der Deutschen Telekom bisher weder vor großen Sprüchen noch vor großen Aufgaben gescheut. Nicht nur, dass er Lust hatte, seinen „Wettbewerbern das Licht auszublasen“, er nahm sich auch vor, den Bonner Konzern „zum führenden digitalen Telekomunternehmen in Europa“ zu machen. Dass dies gemessen an der Umsatz- und Ertragsdynamik gelungen ist, verdankt sich vor allem den wichtigen außereuropäischen Aktivitäten. Nach zähem Ringen um den Zusammenschluss von T-Mobile US mit dem Wettbewerber Sprint steuert die Telekom mit einer geschickten M&A-Strategie auf die Mehrheitsschwelle am drittgrößten Mobilfunknetzbetreiber der USA zu. Damit erhält sie Zugriff auf dessen sprudelnden Cash-flow. Er soll dadurch im Konzern jährlich im Durchschnitt um satte 30% zulegen und bis 2024 rund 18 Mrd. Euro erreichen, – um eine deutliche Entschuldung zu gewährleisten und die Telekom gleichzeitig für eine ordentliche Dividende flüssig zu halten.
Bisher gibt es weder beim Integrationsfortschritt noch im operativen Geschäft von T-Mobile US Grund, an den Planzielen der Telekom zu zweifeln. Dennoch hat der Kapitalmarkt den Mega-Coup in den USA bisher nicht honoriert. Das Unternehmen bringt es insgesamt auf eine Marktkapitalisierung von 80 Mrd. Euro, wobei allein der Anteil an der US-Tochter inzwischen 64 Mrd. Euro wert ist. Dies kann nur auf den ersten Blick verwundern. Denn die Telekom hat insgesamt trotz aller Anstrengungen nur eine recht kümmerliche Kapitalrendite erreicht. Sie lag für 2020 bei 4,6% und damit zwar über den gewichteten Kapitalkosten, stellt aber trotzdem einen relativ geringen positiven Wertbeitrag da. Mittelfristig hat sich das Management eine Steigerung auf mehr als 6,5% vorgenommen. Dies wird aber nur gelingen, wenn das Unternehmen vor allem hierzulande noch ein paar Hausaufgaben erledigt, bei denen es bisher kaum vorangeht.
Wiederholt misslungen ist eine profitable Neuausrichtung der Geschäftskundensparte, die auch unter Höttges als Konzernchef insgesamt Milliarden verbrannt hat und ihre Mittelfristziele mit trauriger Zuverlässigkeit verfehlt. Die Sparte leidet im klassischen IT-Geschäft an einer unterkritischen Größe und hohen Personalkosten, die einen wettbewerbsfähigen Marktauftritt nahezu unmöglich machen. Junge Wachstumsbereiche gewinnen nicht schnell genug an Gewicht, um das auszugleichen. Nach jahrelangem Ringen prüft die Telekom auch einen Verkauf – der allerdings durch geschäftliche und personelle Altlasten erschwert wird.
Betriebswirtschaftlich ist auch der Glasfaserausbau, bei dem die Telekom mehr Tempo machen muss, um nicht allzu viele Marktanteile an den Wettbewerb zu verlieren, bisher kein Glanzstück. Die Vermarktungsquote neuer Glasfaseranschlüsse direkt ans Haus (FTTH) ist mit rund 30% nicht überragend. Auch die Zahlungsbereitschaft für die hohen Bandbreiten ist wenig ausgeprägt, nicht zuletzt, weil die Telekom selbst mit Vectoring und Super-Vectoring bereits Internetzugangsgeschwindigkeiten bereitstellt, die für den Großteil der Kunden absolut ausreichen. Ein wichtiger Schritt ist daher die Joint-Venture-Strategie, die die Telekom besonders für den Glasfaserausbau eingeleitet hat, wobei vor allem das jüngste Gemeinschaftsunternehmen Glasfaser Plus, das die Telekom nach dem Einstieg des Infrastrukturinvestors IFM dekonsolidiert, einen Paradigmenwechsel darstellt. Es entlastet die Bilanz und erleichtert daher den Weg zu einer höheren Kapitalrendite.
Bisher offengeblieben ist auch eine gewinnbringende Verwertung der in GD Towers gebündelten Mobilfunktürme. Diese bei Investoren heiß begehrte Infrastruktur wurde von zahlreichen Wettbewerbern wie Telefónica, Telecom Italia oder Vodafone bereits verkauft oder an die Börse gebracht – mit dem Ziel, Werte zu heben und den Erlös für die Entschuldung zu verwenden. Letzteres hat die Telekom nicht zwingend nötig, wenn der Plan in den USA aufgeht. Außerdem haben sowohl Verkauf als auch Minderheits-IPO Nachteile; denn damit partizipiert der Konzern nicht an der – absehbar dynamischen – Wertentwicklung dieser Assets. Hinzu kommt, dass der gewünschte Nebeneffekt, durch das Heben bilanzieller Werte auch den Aktienkurs nachhaltig zu heben, bei der Konkurrenz bisher nicht eingetreten ist. Die Telekom hat daher gute Gründe, einen kreativeren Weg zu suchen, um den Wert ihrer Funkturm-Assets zu maximieren. Insgesamt ist für den schwierigen Teil der Hausaufgaben also noch Nachsitzen angesagt.