Hoffen auf Joe Sixpack
EU-US-Handel
Hoffen auf Joe Sixpack
Von Detlef Fechtner
Die EU sollte sich nicht einreden lassen,
sie müsse sich auf ein handelspolitisches
Armdrücken mit
Trump einlassen.
Wetten, dass ...? Aktuell überschlagen sich Spekulationen, mit welchen Ansagen Donald Trump am Montag in seine zweite Amtszeit als US-Präsident starten wird. Aus EU-Sicht steht dabei die Handelspolitik im Zentrum. Eine Frage lautet, ob – und wenn ja, in welcher Höhe – Trump Warenimporte aus Europa mit Zöllen belasten will – 5%, 10% oder 20%. Und wie hoch die Aufschläge für Einfuhren aus China ausfallen. Tatsächlich 60%?
Manchmal wird das Argument geäußert, Europas Unternehmen würden von amerikanischen XXL-Zöllen gegenüber China unterm Strich profitieren. Schließlich könnten sie dann in den USA günstiger als die Konkurrenz aus Fernost anbieten. Diese Betrachtung ist einäugig. Sie blendet das Risiko aus, dass die Volksrepublik mit ihren Waren, die sie in den Vereinigten Staaten nicht mehr günstig anbieten kann, den europäischen Markt flutet. Experten halten das für ein potenziell noch größeres Risiko für Europa und Europas Unternehmen als US-Strafzölle auf EU-Importe.
Hitzig wird debattiert, wie die EU auf gegen europäische Waren gerichtete US-Zölle reagieren sollte. Mercedes-Chef Ola Källenius nutzte die Bühne des Brüsseler Autosalons als Gelegenheit für den flammenden Appell, US-Maßnahmen nicht mit Vergeltung zu beantworten: Bei Handelskriegen gebe es keine Gewinner. Da hat er Recht.
Bleibt die Frage, welche Alternativen die EU hat. Dazu müssen sich die Europäer die Gefechtslage vergegenwärtigen. Und die sieht nicht gerade vorteilhaft aus. Erstens: Die EU sitzt am kürzeren Hebel. Studien zufolge hätte die EU in einem Szenario von Zöllen und Gegenzöllen mittelfristig herbere Einbußen der Wirtschaftsleistung zu befürchten als die USA. Zweitens: Die EU ist beim Einsatz handelspolitischer Instrumente schwerfälliger. Was der US-Präsident mit einer Executive Order festlegen kann, verlangt in der EU einen gerade in Handelsthemen schwierigen Prozess der Verständigung. Insofern spricht vieles gegen einen aggressiven Ansatz. Vielmehr sollte Brüssel dem US-Präsidenten Angebote machen, die ihm die Chance geben, etwas zu gewinnen statt zu verlieren – denn diese Sprache dürfte Trump verstehen, sieht er sich doch in der Rolle als Dealmaker.
Wie könnten Angebote aussehen? In den Schubladen des transatlantischen Handels- und Investitionsrats TTC schlummern Vorschläge, wie Compliance-Hürden aus dem Weg geräumt und US-Firmen der Marktauftritt in Europa erleichtert werden kann. So könnte die EU-Kommission im Zuge ihrer Initiativen zum Abbau von Bürokratie Anforderungen an Firmen aus Drittländern reduzieren. Und bei den Bemühungen um Diversifizierung der Lieferketten kann die EU – etwa beim Einkauf von Flüssiggas oder Rüstung – den Amerikanern Gutes tun und damit Anreize liefern, die Europäer handelspolitisch nicht zu hart ranzunehmen.
Zudem wird es darauf ankommen, der neuen US-Administration deren ureigenstes Interesse am vitalen Handel mit der EU deutlich zu machen. Schließlich stärken ja auch europäische Firmen die US-Produktion, indem sie direkt investieren – auch diese Investitionen sind im Falle von Zöllen in Gefahr. Und schließlich sind die US-Konsumenten ein wichtiger Hoffnungswert. Gut möglich, dass sich Trump für eine mildere Zollvariante gegenüber der EU entscheidet, weil er sonst Ärger mit Otto Normalverbraucher fürchten muss. Denn Joe Sixpack schätzt Produkte made in Europe – und wird über Preiserhöhungen „not amused“ sein.
Alles in allem wäre die EU also schlecht beraten, sich einreden zu lassen, sie müsse sich zur Versicherung ihres politischen Selbstbewusstseins unbedingt auf ein handelspolitisches Armdrücken mit Trump einlassen. Nein, das wäre gerade kein Beweis ihrer Souveränität. Ganz anders allerdings ist es, wenn Trump die Zolldrohung einsetzen sollte, um Europa jenseits der Handelspolitik zu erpressen. Dann ist Stehvermögen gefragt. So konstruktiv sich die EU im handelspolitischen Dialog verhalten sollte, so entschieden muss sie beispielsweise jeden Versuch der USA zurückweisen, im Kampf gegen Desinformation und Hassreden auf sozialen Plattformen ein Auge zuzudrücken.