Im BlickfeldSchienen, Straßen und Brücken müssen dringend erneuert werden

Immer mehr Investoren entdecken Infrastruktur für sich

Die deutsche Infrastruktur ist in einem schlechten Zustand. Die erforderlichen Investitionen kann der Staat allein nicht stemmen. Privates Kapital ist nötig.

Immer mehr Investoren entdecken Infrastruktur für sich

Wie Investments in Infrastruktur
Privatanlegern schmackhaft gemacht werden

Der Investitionsbedarf ist riesig. Der Staat kann das nicht allein stemmen. Bisher haben vor allem institutionelle Anleger diese Assets für sich entdeckt. Doch zukünftig muss auch privates Kapital aktiviert werden. Passende Anlagevehikel gibt es schon.

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt

Eine Brücke muss plötzlich gesperrt und jahrelang saniert werden. Für die Stadt bedeutet das noch mehr Durchgangsverkehr und ständige Staus. Kaum ist die Brücke wieder offen, folgt die nächste Stauwelle, noch schlimmer als die erste. Die Fahrbahndecke senkt sich an der Verkehrsachse vor dem Hauptbahnhof. Der Verkehr muss umgeleitet werden – mit den erwartbaren Folgen, jetzt auch für den städtischen Busverkehr. Und jüngst führten umfangreiche Fahrbahnerneuerungen in der Innenstadt sogar zur Evakuierung einer zentralen Tiefgarage, weil sich die Autos dort stauten und die laufenden Motoren die Kohlenmonoxidkonzentration gefährlich ansteigen ließen.

Marode Brücken und Straßen

All dies sind Zeichen einer maroden Infrastruktur. Das gilt nicht nur wie in diesem Beispiel für die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden. Sie steht pars pro toto für ganz Deutschland. Marode Brücken und Straßen, ein unzureichender öffentlicher Personennahverkehr, der den Autoverkehr weiter steigen lässt. Und es wird in den kommenden Jahren nicht besser. Denn die vorhandene Infrastruktur muss nicht nur erneuert, sondern es muss im Rahmen der energetischen Transformation auch neue geschaffen werden. Dazu gehören eine verbesserte Stromversorgung, aber auch alternative Energien wie Fernwärme.

All dies kostet Geld, viel Geld. Der in den kommenden zehn Jahren erforderliche Investitionsbedarf für die öffentliche Infrastruktur wird auf mindestens 600 Mrd. Euro geschätzt. Dazu gehören insbesondere Straßen und (Hoch-)Schulen, der Ausbau der Schienen- und Stromnetze sowie der (Sozial-)Wohnungsbau. Andere Quellen beziffern den Investitionsbedarf für die Verkehrsinfrastruktur bis 2028 auf etwa 120 Mrd. Euro und für die Energieinfrastruktur bis 2037 auf etwa 270 Mrd. Euro.

Diese Summen dürfte der Staat, also Bund, Länder und Gemeinden, nicht allein stemmen können. Zukünftig soll Geld vermehrt von Privatanlegern kommen – nicht nur von vermögenderen, sondern auch von der breiten Retailkundschaft.

Für Privatanleger gibt es geschlossene Infrastruktur-Publikums-AIF (Alternative Investment Funds), European Long-Term Investment Funds (Eltif) und das Infrastruktur-Sondervermögen.

Elf geschlossene AIF

Als investierbare geschlossene Infrastruktur-Publikums-AIF per 30. September listet die Ratingagentur Scope insgesamt elf Vehikel auf. Ihr prospektiertes Fondsvolumen beträgt insgesamt rund 490 Mill. Euro. Auf erneuerbare Energien fokussieren sich vier Fonds und auf Gesundheitsimmobilien zwei. Die übrigen fünf sind infrastrukturnah mit Logistik, Nahversorgung und Baumarkt. Die Mindestanlagesumme liegt meist bei 10.000 Euro.

Das Fondsstandortgesetz hat 2021 das Infrastruktur-Sondervermögen geschaffen. Damit sollen private und institutionelle Investitionen in die öffentliche Infrastruktur gefördert werden. Diese Infrastruktur-Sondervermögen können als Spezial- oder als Publikums-Alternative-Investmentfonds (AIF) gestaltet werden. Spezialfonds stehen nur professionellen und semiprofessionellen Anlegern offen. In offene Publikumsfonds können dagegen auch Privatanleger investieren. Diese Fonds müssen ähnlich wie die offenen Immobilien-Publikumsfonds ihre Risiken breit streuen. Sie haben keine feste Laufzeit. Die Rückgabe von Fondsanteilen ist durch bestimmte Fristen eingeschränkt.

Erst Mitte 2023 ist allerdings mit den Musteranlagebedingungen des BVI klar geworden, wie sie ausgestaltet werden können. Bisher gibt es allerdings nach Angaben der Ratingagentur Scope nur drei offene Infrastruktur-Sondervermögen (OIF). Größter Fonds ist der 2023 aufgelegte „DWS Infrastruktur Europa“. Er richtet sich sowohl an institutionelle als auch an Privatanleger und investiert vor allem in erneuerbare Energien. Das Fondsvermögen lag nach der jüngsten Veröffentlichung der KVG zum 5. November 2024 bei 390 Mill. Euro.

Erstes Asset soll kommen

Ein weiteres Infrastruktur-Sondervermögen ist der „KGAL Klimasubstanz“. Er investiert ebenfalls in erneuerbare Energien. Der Ende 2023 aufgelegte Fonds hat Anfang November 2024 den Erwerb des ersten Assets, der Projektentwicklung eines Windparks in Schleswig-Holstein, bekannt gegeben. Entsprechend liegt das Fondsvolumen erst bei 4 Mill. Euro (laut der jüngsten Veröffentlichung der KVG zum 5. November 2024).

Im laufenden Jahr wurde der „Quadoro Erneuerbare Energien Europa“ aufgelegt. Er ist im Unterschied zu den beiden erstgenannten OIFs ein Artikel-9-Fonds nach der EU-Offenlegungsverordnung – der Fonds verfolgt also explizite Nachhaltigkeitsziele (Impact) – und kommt auf ein Fondsvolumen von 20 Mill. Euro (Stichtag wie die beiden anderen OIFs).

Weniger streng in den Anlagegrenzen und mit dem Vorteil eines europäischen Vertriebspasses ausgestattet ist der European Long-Term Investment Fund (Eltif). Knapp ein Drittel des Eltif-Fondsvolumens entfällt auf Infrastruktur. Erst kürzlich stellte Union-Investment-Chef Hans Joachim Reinke die Vorteile des Eltif 2.0 im Vergleich zur bis zum Vorjahr geltenden Regelung heraus. Er nannte insbesondere den Fortfall der Mindestanlagesumme von 10.000 Euro und die flexibleren Anlagemöglichkeiten, z.B. in Dachfonds, AIF und als offener Fonds.

In Deutschland im Vertrieb sind laut Scope sechs Eltifs 2.0. Mit Abstand größter Fonds ist der bereits 2020 aufgelegte „klimaVest Eltif“ der Luxemburger Tochter der Commerz Real. Alle sechs Fonds wurden im Großherzogtum zugelassen und werden daher dort beaufsichtigt. Das Fondsvolumen des „klimaVest“ liegt zum genannten Stichtag bei 1,45 Mrd. Euro.

Die anderen fünf Eltif-Fonds wurden erst im laufenden Jahr aufgelegt. Investieren können sie mit Ausnahme des „UniPrivatmarkt Infrastruktur Eltif“ von Union Investment auch über Europa hinaus (Asien, OECD-Länder, Nordamerika). Auch daran zeigt sich die größere Flexibilität unter Eltif 2.0. Denn die OIFs sind auf Europa beschränkt.

Investitionsfokus sind in allen Fällen erneuerbare Energien – in vier Fällen (zwei Eltifs, zwei OIFs) ausschließlich, in allen anderen Fällen ergänzt durch Soziales, Transport/Verkehr, Kommunikation und bis auf eine Ausnahme Versorgung.

Mit dem Fondsmarktstärkungsgesetz, das jetzt als Kabinettsentwurf vorliegt, soll das geschlossene Sondervermögen auch Privatanlegern zugänglich werden. Bisher war es nur als Spezialfonds möglich und damit institutionellen Investoren vorbehalten. Außerdem sollen Dienstleister geschlossener Fonds zukünftig auch Bürgerbeteiligungen im Bereich der erneuerbaren Energien anbieten können. In der Gesetzesbegründung heißt es, durch die Öffnung des geschlossenen Sondervermögens auch für Privatanleger „werden die Fondsanbieter in die Lage versetzt, zum Beispiel für Eltif (europäische langfristige Investmentfonds, die vorwiegend in Infrastruktur investieren), konkurrenzfähige Produkte aufzulegen“.

Push für deutschen Weg

Damit stemmt sich der Gesetzgeber gegen den Bedeutungsverlust des rein deutschen Weges des OIF. Vor dem Fondsmarktstärkungsgesetz waren nicht wenige Marktbeobachter der Meinung, nicht nur im Infrastrukturbereich gehöre den breiter aufgestellten Eltifs die Zukunft. Immerhin setzt auch heute der Fondsriese Union Investment auf dieses Vehikel und eben nicht auf OIFs. Ob sich dies mit dem neuen Gesetz ändern wird, bleibt abzuwarten. Bis private Investitionen eine bedeutende Rolle bezogen auf den gesamten Investitionsbedarf spielen, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Bisher sind institutionelle Anleger die sehr viel bedeutenderen Player.

Der Kabinettsentwurf des Fondsmarktstärkungsgesetzes muss jetzt noch durch den Bundestag. Das Fondsmarktstärkungsgesetz soll nach den bisherigen Plänen im Wesentlichen am 16. April 2026 in Kraft treten. Bestimmte Vorschriften – etwa zur Einführung des geschlossenen Publikums-Sondervermögens und zu den Bürgerbeteiligungen – sollen aber schon ab dem 1. Juli 2025 gelten.