In der Ruhe liegt die Kraft für die EZB
EZB
In der Ruhe
liegt die Kraft
Von Martin Pirkl
Sobald der Einlagensatz bei 3 Prozent liegt, sollte die EZB eine Zinspause einlegen. Denn die Inflationsentwicklung ist ungewiss – und die Pause könnte heilend wirken.
Wer auf zarte Hinweise von EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf eine mögliche Zinssenkung der Notenbank im Oktober gehofft hat, der wurde enttäuscht. Die Französin gab sich ziemlich bedeckt. Sie betonte jedoch, dass der erwartete Inflationsrückgang im September nicht überbewertet werden sollte. Also eher eine Absage an eine Zinssenkung im Oktober.
Die noch spannendere Frage ist sowieso, wie die EZB reagiert, sobald der Einlagensatz auf ein Niveau fällt, ab dem die Geldpolitik bei einer weiteren Zinssenkung womöglich nicht mehr restriktiv wirkt. Diese Situation dürfte erreicht sein, sobald dieser 3% erreicht hat. Spätestens Anfang 2025 dürfte jenes Szenario eintreten.
Dann stellt sich für die Notenbanker die Frage, ob sie bereit sind, mit einer weiteren Lockerung ein Territorium zu betreten, bei dem die Geldpolitik eventuell leicht expansiv wirkt. Eine Herausforderung an der Sache ist nämlich, dass niemand genau berechnen kann, wo sich der neutrale Zins befindet, der die Wirtschaft weder ankurbelt noch ausbremst. Schätzungen gehen davon aus, dass er zwischen 2,25% und eben besagten 3% liegt. Viele Ökonomen nennen 2,5% als möglichen Wert.
Das Problem: Die EZB muss extrem vorsichtig sein mit einer womöglich expansiven Geldpolitik. Denn die Inflation lässt im Trend zwar weiter nach, sichergestellt ist das mittelfristige und nachhaltige Erreichen der Preisstabilität indes nicht. Die Dienstleistungsinflation ist noch deutlich zu hoch. Zwar gibt es Anzeichen, die die EZB hoffnungsfroh stimmen können, dass sie vor allem in 2025 nachlässt. Doch das Lohnwachstum ist immer noch stark, während die Profitmargen der Firmen zuletzt weniger deutlich gesunken sind als von der EZB erwartet. Die Unsicherheit ist also groß.
Das spricht für eine etwas längere Zinspause, in der die EZB die Entwicklung der Daten abwarten kann. Zumal eine schnelle Lockerung der Geldpolitik wegen der schwächelnden Konjunktur – wie es manches EZB-Ratsmitglied ins Spiel bringt – seine Tücken hat. Denn das Wirtschaftswachstum ist nicht nur wegen der Konjunktur niedrig, sondern auch wegen struktureller Probleme. In diesem Umfeld können Zinssenkungen sogar schädlich wirken. Eine besser laufende Konjunktur und eine geringere Zinslast der Staatsverschuldung reduziert den Druck auf die Eurostaaten, ihre strukturellen Baustellen zu beseitigen. Eine Zinspause könnte also sogar heilend wirken.