Sportwagen von Ferrari und Lamborghini

Italiens Luxusautoherstellern geht es blendend

Ferrari und Lamborghini sind die margenstärksten Autohersteller weltweit und Schmuckstück der italienischen Industrie. Die Umstellung auf Elektroantriebe ist für sie eine große Herausforderung.

Italiens Luxusautoherstellern geht es blendend

Wenn das Röhren zum Summen wird

Das Ende des Verbrenners ist für Ferrari und Lamborghini eine große Herausforderung

Von Gerhard Bläske, Mailand

Italiens Luxusautoproduzenten Lamborghini und Ferrari geht es gut, sehr gut sogar. Die Audi-Tochter und der börsennotierte Formel-1-Rennstall liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den weltweiten Spitzenplatz in der Rendite: Derzeit (2022) liegt Lamborghini mit einer Marge von 25,9% vor Ferrari mit 24,1%. Zum Vergleich: Porsche kommt auf 18%.

Nur 34 Kilometer liegen der Ferrari-Sitz in Maranello und die „Città della Lamborghini“, Sant`Agata Bolognese, voneinander entfernt. Hier, im „Motor Valley“, das eher eine große flache Ebene ist, sitzen auch der Kleinstserienhersteller für Supersportwagen, Pagani, der Motorradproduzent Ducati und viele hoch spezialisierte Unternehmen der Autobranche. Gleich am Ortsausgang von Modena, auf dem Weg zu Lamborghini, geht es am gerade erst modernisierten früheren Maserati-Stammwerk vorbei, in dem der Sportwagen MC20 produziert wird. Die Stellantis-Tochter kommt zwar mit zuletzt 23.404 Verkäufen (2022) auf deutlich höhere Stückzahlen als die beiden anderen Hersteller, fährt aber den Konkurrenten in puncto Rendite weit hinterher und hat bis 2020 sogar rote Zahlen geschrieben.

Als Traktorhersteller gestartet

Davon ist Lamborghini weit entfernt. Gerade ist die letzte Serie namens Ultimae von 600 Sportwagen und Cabrios des Lamborghini-Aventador, einem 780-PS-Zwölfzylinder, der bis zu 450.000 Euro kostet, präsentiert worden. Spektakulär ist auch die Rendite. Der 1948 als Traktorenhersteller gegründete Hersteller von Supersportwagen hat im vergangenen Jahr 9.233 Autos verkauft und den Umsatz im Jahr vor dem 60. Geburtstag um rund 20% auf 2,4 Mrd. Euro nach oben geschraubt.

Doch auch am Ferrari-Sitz in Maranello brummt das Geschäft. Der Sportwagenproduzent, der im vergangenen Jahr 75 Jahre alt geworden ist, will die Marge bis 2026 auf 27 bis 30% und den Umsatz auf 6,7 Mrd. Euro steigern. Sowohl bei Ferrari als auch bei Lamborghini müssen die Kunden zwei Jahre auf ihre Autos warten.

Lamborghini nimmt gar keine Bestellungen mehr an. Die Zahl der Mitarbeiter in Sant`Agata Bolognese hat sich in den beiden vergangenen Jahren auf etwa 2.000 verdoppelt. Die Glasfassaden der Produktions- und Verwaltungsgebäude sowie des Museums ziehen sich über hunderte von Metern hin. CEO Stephan Winkelmann sitzt in dem Gebäudeteil, in dem Ferruccio Lamborghini mit dem 350 GTV 1963 seinen ersten Supersportwagen hergestellt hat. Es folgten viele legendäre Boliden wie der Miura oder der Countach. Im Museum lässt man die Firmengeschichte, die auch trübe Zeiten kannte, Revue passieren.

Lamborghini, seit 1998 Teil des VW-Konzerns, und Ferrari stechen heraus aus der tristen Realität der einst mächtigen italienischen Autoindustrie. Sie gehören zu den letzten Schmuckstücken der Branche. Der ehemalige Fiat-Konzern mit den Marken Fiat, Maserati, Alfa Romeo und Lancia, die nur noch Schatten früherer Zeiten sind, ist heute Teil des französisch dominierten Stellantis-Konzerns, zu dem auch Opel gehört, und baut seit Jahren Personal ab. Der Branchenverband Anfia fürchtet in den nächsten Jahren den Verlust von 70.000 Jobs in Italiens Autoindustrie durch die Elektrifizierung. In fast allen italienischen Werken von Stellantis wird kurzgearbeitet.

Doch Ducati, Lamborghini, Ferrari und Pagani im Motor Valley geht es gut. Aber wie lange noch? 2035 kommt das Ende des Verbrennermotors in der EU. Kleinere Hersteller, und dazu gehören diese Sportwagenhersteller, haben ein Jahr mehr Zeit. Doch dann ist definitiv Schluss auch für die leistungsstarken Antriebe aus dem Motor Valley unter den Hauben mit dem „sich aufbäumenden Pferdchen“ im Logo von Ferrari und dem Stier Murciélago bei Lamborghini. „Seit mehr als 70 Jahren bauen wir das Herz jedes Ferrari“ ist in der hellen, blitzsauberen und mit vielen Pflanzen ausgestatteten Ferrari-Produktionshalle in Maranello zu lesen. Doch dieses Herz hört bald zu schlagen auf. Nebenan werden bald Batterien zusammengebaut.

Umstellung auf Elektroantrieb

Anfang der 2030er Jahre ist auch bei Lamborghini Schluss mit dem Verbrennermotor. „Aus derzeitiger Sicht können danach nur Elektroantriebe kommen. Darauf stellen wir uns ein“, sagt Stephan Winkelmann, Präsident und CEO von Lamborghini. Der stets elegant gekleidete Berliner, der in Rom aufgewachsen ist und Deutsch mit einem leicht bayerischen Einschlag spricht, hat sich darauf eingestellt. „Wir fangen mit der Hybridisierung unserer gesamten Produktpalette an und wollen sie 2023 und 2024 voll umsetzen. In den Jahren 2028 und 2029 bringen wir eine neue (die vierte) Modellreihe auf den Markt, die vollelektrisch sein wird, und 2029 kommt auch der (SUV) Urus in einer vollelektrischen Version.“ Mit dem Revuelto, der um die 500.000 Euro kosten soll, wurde gerade der erste Plug-in-Hybrid vorgestellt.

Lamborghini hat einen starken Konzern im Rücken. „Beim Einkauf entscheiden wir, was wir im Konzernverbund einkaufen und was nicht.“ Der Sportwagenproduzent kann Konzernplattformen nutzen und bei der Digitalisierung, Elektrifizierung und im Leichtbau auf Experten der Mutter zurückgreifen. „Da gewinnen wir im Vergleich zur Konkurrenz, die keinen Konzernverbund hat, Zeit und können Einsparungen erzielen“, fügt Winkelmann hinzu.

Namen nennt er nicht, aber es ist klar, wen er meint: Ferrari. Der seit Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zu Fiat gehörende Wettbewerber ist seit 2015 separat an der Börse notiert und wird dort wie ein Luxusgüterkonzern bewertet. Der Börsengang war das Vorbild für die Ausgliederung von Porsche bei Volkswagen. Spekulationen, auch Lamborghini werde an die Börse gebracht, dementiert Winkelmann: „Wir planen keinen Börsengang. Da bin ich missverständlich zitiert worden“, sagt er.

Ferrari muss den Wandel allein stemmen und investiert 4,4 Mrd. Euro bis 2026. Während Lamborghini gerade das erste Hybridfahrzeug vorgestellt hat, tragen Fahrzeuge mit solchen Antrieben bereits fast 20% zum Ferrari-Absatz bei. Der erste vollelektrische Ferrari soll 2025 kommen. 2030 sollen jeweils 40% der Verkäufe mit vollelektrischen und hybriden Autos erzielt werden. Ferrari will eigene Elektromotoren bauen und errichtet eine eigene Batterieproduktion. CEO Benedetto Vigna, ein hoch geschätzter Ex-Spitzenmanager und Forscher des Halbleiterspezialisten STMicroelectronics mit mehr als 200 Patenten, hat ein komplettes Team aus Software- und IT-Spezialisten nach Maranello geholt. Doch mit dem Purosangue, einem Supersport-SUV, der deutlich später kam als der Lamborghini Urus, hat Ferrari zunächst nochmal einen reinen Verbrenner mit 725-PS-Zwölfzylinder-Motor und einem Preis von über 400.000 Euro präsentiert, für den es lange Lieferzeiten gibt.

Ferrari und Lamborghini stehen vor der Herausforderung, ihr Faszinosum, ihre Einzigartigkeit und ihre Exklusivität auch in die Elektrifizierung hinüberzuretten. „Der Fokus auf das Design wird sich nicht ändern. Dann kommt die Performance. Das sind erstmal nackte Zahlen wie Beschleunigung oder Höchstgeschwindigkeit. Und dann natürlich die emotionale Seite. Das Zusammenspiel muss klappen. Wir haben Zeit und wir wissen, wie wir das machen. Wir müssen nicht unbedingt die Ersten sein, dafür aber die Besten“, sagt dazu Winkelmann. Er plant Investitionen von 1,8 Mrd. Euro innerhalb von fünf Jahren.

Vigna klingt nicht viel anders, wenn er sagt, mit der eigenen Batterieproduktion solle die Exklusivität sichergestellt werden. „Sound, Performance und Fahrerlebnis“ blieben aber „Ferrari-like“. Auch künftig stehe Ferrari für eine „einzigartige Technologie“.

Jetzt müssen nur noch die Kunden mitziehen. Die Zahl der potenziellen Käufer vor allem aus Asien und Amerika wächst beständig. McKinsey erwartet ein Wachstum des Luxusbereichs in der Autoindustrie von jährlich durchschnittlich 8 bis 14% bis 2031 und begründet dies mit der starken Zunahme der Zahl der Personen mit Privatvermögen von mehr als 10 Mill. Dollar. Ferrari verfolgt seit jeher die Maxime, lieber „ein Auto weniger zu bauen, als es der Markt verlangt“. Anders als Maserati oder Aston Martin ist es Lamborghini und Ferrari gelungen, ihren Vertrieb auch durch Sonderserien zu personalisieren und sehr hohe Margen einzufahren. Beide sind eher Luxusgüterunternehmen als Autohersteller. Die Margen sind sehr hoch in diesem Segment. Das ist der Grund, weshalb auch Produzenten wie Mercedes immer mehr auf hochpreisige Fahrzeuge setzen. Bei Ferrari zeigt sich der Erfolg auch am Börsenwert von derzeit 49 Mrd. Euro – das ist fast so hoch wie Porsche mit 52 Mrd. Euro.

In dem flachen Land mit den grünen Wiesen, Pappeln und Weizenfeldern gehört das Röhren der Motoren genauso dazu wie der Lambrusco-Wein, der Aceto Balsamico, gastronomische Spezialitäten wie Mortadella, Parmesan, mit Fleisch gefüllte Tortellini, Lasagne und Tagliatelle. Es wird allgemein Zuversicht demonstriert, dass der Wandel gelingt. Die jüngeren Kunden unter 40 – und das seien 2025 bereits mehr als die Hälfte der Käufer – hätten die Elektrifizierung längst akzeptiert, meint Winkelmann. Ähnlich sieht es Vigna, wo viele der jüngeren Käufer gleich mehrere Ferrari in ihrer Garage stehen hätten. Winkelmann betrachtet Lamborghini ähnlich wie Möbel oder die Lebensmittelspezialitäten als Teil des weltweit geschätzten Made in Italy: „Lamborghini ist einer der Botschafter dieses Labels in der Welt.“

„Made in Italy“-Botschafter

Ein solcher Botschafter des Made in Italy will 200 Kilometer entfernt auch Aehra werden. Das in einem Gewerbegebiet im Nordwesten Mailands angesiedelte Start-up setzt auf PS-starke Elektroboliden und hat ein Team aus Jungspunden und erfahrenen Ingenieuren und Designern angeheuert, die früher für Ferrari, Lamborghini oder Lotus gearbeitet haben. Die beiden ersten Modelle, ein SUV und eine Limousine mit jeweils mehr als 700 PS, sollen 2026 auf den Markt kommen. Derzeit werden Investoren gesucht. Wichtige Grundsatzentscheidungen stehen an.

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