Im BlickfeldUS Treasury Bonds

Japanisches Zünglein an der Waage

Japan ist der größte Auslandsgläubiger der USA. Nun bewerten Regierung, Lebensversicherer, Pensionsfonds und Banken ihre Treasury-Risiken neu.

Japanisches Zünglein an der Waage

Im Blickfeld

Japanisches Zünglein an der Waage

Japan ist der größte Auslandsgläubiger der USA. Nun bewerten Regierung, Lebensversicherer, Pensionsfonds und Banken ihre Treasury-Risiken neu.

Von Martin Fritz, Tokio

Charlie Gasperino meinte genau zu wissen, warum Präsident Donald Trump am 9. April seine „reziproken“ Zölle für 90 Tage ausgesetzt hatte: Er habe vor dem Anleihemarkt kapituliert, erklärte der Journalist auf Trumps Lieblingssender Fox News und behauptete, es sei Japan gewesen, das US Treasury Bonds auf den Markt geworfen hätte. „Das zwang Trump zum Handeln“, so Gasperino. Die gleiche Theorie verbreiteten später auch Influencer in sozialen Medien. Ein Indiz: Die Renditen der Treasuries zogen bereits während des Handelstages in Asien an.

Japanische Bank unter Verdacht

Der erste Verdacht fiel auf die japanische Norinchukin Bank, die zu Ende September fast 19 Bill. Yen (117 Mrd. Euro) an Auslandsanleihen in den Büchern hatte, viele davon vermutlich Treasuries. Die Bank hatte sich schon einmal, nämlich 2023, in großem Stil von US-Bonds getrennt, damals, um Wertverluste zu begrenzen. Doch CEO Taro Kitabayashi dementierte: „Die Gerüchte sind falsch, wir haben keinen Grund, unsere Positionen zu justieren“, beteuerte er gegenüber der Finanzzeitung Nikkei.

Auch die japanische Regierung will nicht der „Übeltäter“ gewesen sein. Sie wolle ihre US-Bonds bei den Zollverhandlungen mit den USA keinesfalls als Hebel einsetzen, erklärte sie am 8. April. „Wir verwalten unsere US-Staatsanleihen nicht aus der Perspektive der bilateralen Diplomate, sondern für künftige Wechselkurs-Interventionen“, betonte Finanzminister Katsunobu Kato.

Regierung als größter Bond-Halter

Ungeachtet solcher Dementi verkauften private Institute in Japan in der Woche bis zum 5. April laut vorläufigen Angaben des japanischen Finanzministeriums langfristige Auslandsanleihen im Wert von 17,5 Mrd. US-Dollar und bis zum 12. April für weitere 3,6 Mrd. US-Dollar. Weitere Informationen kommen erst im Juni, wenn das US-Finanzministerium die April-Daten zu ausländischen Gläubigern veröffentlicht. Aber es bleibt eine Tatsache, dass Japan schon länger mit deutlichem Vorsprung vor China der größte Auslandsgläubiger der USA ist.

Ende Februar hielten japanische Adressen, soweit sie sich eindeutig identifizieren ließen, laut dem US-Finanzministerium Treasuries im Wert von 1,126 Bill. Dollar. Das entsprach knapp 13% aller US-Bonds im Auslandsbesitz. Zu Ende 2024 bilanzierte die japanische Regierung knapp 918 Mrd. Dollar an ausländischen Wertpapieren als Teil ihrer Auslandsreserve, der Großteil davon mutmaßlich US-Bonds. Geschätzte vier Fünftel der Gesamtposition gehören also der Regierung, ein Fünftel halten japanische Lebensversicherer, Pensionsfonds, Banken und andere Finanzinstitute, das wären dann mindestens 200 Mrd. Dollar an Treasuries und ausreichend, das Zünglein an der Waage zu sein.

Währungsgewinn beim Verkauf

Letztere Investoren hätten gerade gute Gründe, sich massenhaft von diesen Papieren zu trennen. Deren Kurse sind zwar durch den derzeit vorherrschenden Sell-America-Trade schon deutlich gefallen, aber durch die Aufwertung des Dollar zum Yen um aktuell immer noch ein Viertel seit Februar 2022 könnten ihre japanischen Halter bei einem Verkauf noch lukrative Währungsgewinne einstreichen. Auch ihr generelles Investment-Kalkül dürfte sich ändern. Lebensversicherer und Pensionsfonds halten US-Bonds als langfristige Anlage mit niedrigem Risikoprofil. Wenn aber Treasuries und der Dollar keine sicheren Häfen mehr sind, werden sie versuchen, diese Risiken zu verringern, indem sie ihre Positionen verkleinern, sei es durch aktive Verkäufe, sei es durch verringerte Neukäufe.

„Unsere Dollar, Euer Problem“

Allerdings dürften sie dabei diskret, langsam und vorsichtig vorgehen, um keine globale Finanzturbulenzen auszulösen. Mit einem allzu offensichtlichen und überhasteten Vorgehen würde man sich selbst ins Knie schießen, da der Wert der Anleihen dadurch eher sinkt. Zwar könnte Japans Elite den USA mit der Verkaufsoption drohen, schreibt der deutsche Japan-Anlagestratege Jesper Koll, „aber sie weiß genau, dass dies nur dieselbe Antwort hervorrufen würde, die der damalige Finanzminister John Connally im August 1971, kurz vor dem Zusammenbruch des globalen Finanzsystems von Bretton Woods, gegenüber den G10-Staaten gab: ‚Es sind unsere Dollar, und Ihr Problem.‘“

Aber nach Ansicht von Koll werden japanische private und öffentliche Investoren und Kapitalverwalter künftig weniger US-Vermögenswerte erwerben, solange sie dafür keinen genügend hohen „Rabatt“ erhalten. Langfristiges Kapital brauche Aussichten auf langfristige Stabilität, um zu gedeihen. „Die Risiken, US-Vermögenswerte zu besitzen, steigen, sodass die Welt für deren Besitz mehr verlangen wird. Das bedeutet höhere Renditen für US-Anleihen, niedrigere Bewertungen für US-Aktien und natürlich einen niedrigeren Dollar. Der ‚MAGA-Abschlag’ ist genau das“, argumentiert Koll. Wie groß dieser Discount ausfalle, lasse sich aber noch nicht vorhersagen.

Zolleinfluss auf Kapitalströme

Ein weiterer Aspekt wird noch kaum diskutiert: Japanische Unternehmen haben bis Ende 2023 laut dem Bureau for Economic Analysis insgesamt 783 Mrd. Dollar in den USA investiert. Mit einem Gesamtanteil von 15% ist Japan national betrachtet der größte US-Investor. Japanische Unternehmen gehören daher auch zu den größten Exporteuren aus den USA von Kapital, das sie dort mit ihren Verkäufen an amerikanische Verbraucher verdient haben. Die Zölle werden jedoch die japanischen US-Gewinne verringern, was ihre Einlagen bei US-Finanzintermediären verringert. Diese haben dann weniger Liquidität für Investitionen in US-Vermögenswerte wie Aktien und Staatsanleihen zur Verfügung.

Solche komplexen Verflechtungen zwischen Welthandel, Sparüberschüssen und US-Finanzanlagen werden japanische Investoren wie der größte Lebensversicherer Nippon Life künftig in ihre Investitionen in US-Staatsanleihen einpreisen. „Wichtig ist dabei nicht die immer wiederkehrende Frage ‚Verkaufen japanische oder chinesische Investoren, und wenn ja, wie viel?‘“, unterstreicht Stratege Koll. „Viel wichtiger ist die Frage, zu welchem Preis und Ertrag sie bereit sind, auf die US-Märkte zurückzukehren.“

Keine Rückkehr nach Japan

Die andere Sorge, dass japanische Investoren sich wegen der Straffung der japanischen Geldpolitik aus US-Staatsanleihen zurückziehen und verstärkt in ihrer Heimat investieren, hat sich dagegen bisher als unberechtigt erwiesen. Angesichts der Unsicherheit, die Trump mit seinen Zöllen schürt, scheint die japanische Notenbank den Leitzins wohl langsamer erhöhen zu wollen, als es die Preis- und Lohnentwicklung im Land eigentlich erfordert. Auch wenn die US-Notenbank ihren Leitzins senken sollte, werden die Differenzen der Anleiherenditen zwischen Japan sowie den USA und Europa attraktiv groß bleiben. Allerdings haben die Renditen von 20- und 30-jährigen Japanese Government Bonds mit 2,3% und 2,7% ein Niveau erreicht, das etwa den Lebensversicherer Fukoku Mutual Life Insurance in diesem Jahr bereits zu höheren Investitionen motiviert.

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