Katzenjammer statt Aufbruchstimmung
Konjunktur
Katzenjammer statt Aufbruchstimmung
Von Alexandra Baude
Der Bundestagswahlkampf in Deutschland ist in vollem Gange. Und die Parteien haben selbstredend lauter kluge Vorschläge, wie denn mittels Wirtschaftspolitik der Konjunktur auf die Sprünge geholfen werden könnte. Auch Wirtschaftslenker und Verbände geizen nicht mit Ideen und Forderungen. Am höchsten schlagen die Wogen derzeit wohl rund um den Vorschlag des Vorstandschefs des Versicherungskonzerns Allianz, Oliver Bäte, dass am ersten Krankheitstag die Lohnfortzahlung gestrichen werden solle. Unabhängig von den unerwünschten Risiken und Nebenwirkungen wie etwa Demotivation und Trotzreaktionen der Arbeitnehmer sind generell die Folgen des hohen Krankenstands für das Wirtschaftswachstum nur ein Randaspekt.
Die Probleme gehen viel tiefer und sind bekannt, werden aber nicht angepackt oder liegen nicht in der Macht der Politik. Dazu zählen etwa die überschießende Bürokratie, hohe Energiekosten, die marode Infrastruktur und der Fachkräftemangel. Sichtbar werden die Effekte mal wieder, wenn das Statistikamt Destatis am Mittwoch die Erstschätzung zum Bruttoinlandsprodukt für 2024 abgibt. Es wird wohl das zweite Jahr in Folge gesunken sein − um 0,2%, nach dem Minus von 0,3% im Jahr 2023. Und erneut wird vor allem das verarbeitende Gewerbe belasten. Kein Wunder, angesichts der anhaltend schwachen (Auslands-)Nachfrage. China etwa hat sich vom dankbaren Abnehmer deutscher Waren zum ernstzunehmenden Konkurrenten gemausert. Ganz zu schweigen vom Ungemach, das mit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident droht. Stichwort Protektionismus.
Die geopolitischen Unsicherheiten bremsen neben der teils erratischen heimischen Politik dringend nötige Investitionen. Doch nicht nur Unternehmen, auch die Haushalte sind verunsichert. Die Verbraucher halten sich weiter zurück, da sie die immer noch hohe Inflation und mittlerweile auch die erhöhten Energiepreise spüren und sich zunehmend Sorgen um ihren Job machen. Eine Aufbruchstimmung zu entfachen, wäre ein guter und nötiger erster Schritt der kommenden Regierung.