Leitartikel Schwarz-Rot

Krisenkoalition braucht Flexibilität

Ein zu festgelegter Koalitionsvertrag kann gerade in Krisenzeiten schaden. Es kommt auf Flexibilität und kluges Agieren der politisch Verantwortlichen an.

Krisenkoalition braucht Flexibilität

Schwarz-Rot

Krisenkoalition braucht Flexibilität

Ein zu festgelegter
Koalitionsvertrag kann gerade in Krisenzeiten schaden. Es kommt auf Flexibilität an und kluges Agieren der politisch Verantwortlichen.

Von Angela Wefers

Die Parteimitglieder haben das Wort. Zumindest die SPD lässt über den Koalitionsvertrag ihre Basis bis zum 29. April abstimmen. Gedanklich sitzt der Parteigenosse so in den Verhandlungen immer mit am Tisch. Die CDU will schon einen Tag vor Abstimmungsende in einer Art kleinem Parteitag den Koalitionsvertrag freigeben. In der straff geführten CSU ist dies schon längst erledigt. Läuft alles nach Plan, steht der Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler am 6. Mai nichts mehr im Weg. Die schwarz-rote Koalition startet im Krisenmodus, weil die äußeren Umstände sie dazu zwingen. Darauf hat sie sich in ihrem Koalitionsvertrag eingestellt.

Schnelle Verhandlung

Gut ist, dass die Koalitionspartner schnell verhandelt haben. Die Kriegsbedrohung durch Russland und der plötzliche Abschied des Bündnispartners USA haben Europa unter Druck gesetzt. Die Börsenturbulenzen durch den von Donald Trump ausgelösten Handelskrieg destabilisieren darüber hinaus. Um so wichtiger ist es, dass der größte Protagonist in der EU politisch wieder handlungsfähig ist. Handlungsfähigkeit bedingt aber nicht nur politische Ordnung, sie braucht auch wirtschaftliche Stärke. Der Koalitionsvertrag birgt Ökonomen zufolge Wachstumspotenzial von einem knappen halben Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts. Das ist etwas weniger, als es die abgewählte Ampel mit ihrem Wachstumspaket geplant hatte. Es ist nicht viel, aber immerhin eine positive und bitter nötige Aussicht.

Über die Steuerpolitik haben die Koalitionspartner mit am heftigsten gestritten. Die geplanten Superabschreibungen für die Wirtschaft haben durchaus das Potenzial eines Boosters für die Konjunktur. Sie sind – wie geplant – zeitlich begrenzt, weshalb Unternehmen Investitionen vorziehen dürften. Die Steuerlast verschiebt sich damit nur. Für ausländische Investoren bleibt indes das positive Signal aus, solange die Höhe der Abschreibungen nur internationale Gepflogenheiten spiegelt. Ausländer schauen eher auf die Steuersätze. Und da schneidet Deutschland mit einer überdurchschnittlich hohen Tarifbelastung von rund 30% für Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag schlecht ab. Die Koalition kommt hier nicht recht vom Fleck. Denn der Soli bleibt und die Senkung der Körperschaftsteuer ist nur in Trippelschritten mit Start im Jahr vor der nächsten Bundestagswahl geplant. Es wäre nicht das erste Mal, wenn ein solches Vorhaben in der Legislaturperiode auf der Strecke bleibt. Entlastung winkt der Wirtschaft zumindest bei den Energiepreisen. Allerdings werden allenfalls die bedrohlichen Wettbewerbsnachteile minimiert.

Ungelöste Probleme bleiben liegen

Eine dringend nötige Strukturreform der Unternehmensbesteuerung mit Blick auf die internationale Konkurrenz bleibt aus. Auch an andere Baustellen traut sich die schwarz-rote Koalition nicht heran. Die Anpassung der Sozialsysteme für Rente, Gesundheit und Pflege ist überfällig. Die staatlichen Ausgaben dafür belasten den Bundeshaushalt stark, der mit Blick auf höhere Verteidigungsausgaben ohnehin in neue Form gebracht werden muss. Sondervermögen hin oder her – es geht nicht nur um die Schuldenbremse. Mehr Schulden belasten den Etat mit mehr Zinsen; Geld, das an anderer Stelle fehlt.

Es gilt aber, realistisch zu bleiben. Diese neue schwarzrote Koalition agiert in Krisenzeiten. Die Ampel war mit hochtrabenden Plänen gestartet. Klimaschutz stand ganz oben. Sie wurde von den Folgen des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine eingeholt. Die letzte Regierung von Angela Merkel war durch die Corona-Pandemie getrieben. Es ist Merz nicht gelungen, einen schlanken Koalitionsvertrag zu verhandeln, der vor allem Prinzipen festschreibt. Aber der Vertrag birgt dennoch viel der nötigen Flexibilität für die Legislaturperiode. Die zahlreichen Expertenkommissionen, auf die sich CDU, CSU und SPD verständigt haben, geben ihnen Zeit, ihr Regierungshandeln noch anzupassen. Auch der Finanzierungsvorbehalt für alle teuren Vorhaben schafft Handlungsspielraum, der vor Enttäuschungen bewahren sollte. Ein zu festgelegter Koalitionsvertrag wäre gerade in Krisenzeiten schädlich. Es kommt mehr auf kluges Agieren der politisch Verantwortlichen an.

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