Kryptoökosystem

Künftige Handelsimperien

Binance und Coinbase sind jetzt schon alt. Zukünftige Imperien im Handel entstehen an der Schnittstelle von zentraler und dezentraler Liquidität.

Künftige Handelsimperien

Um den Bitcoin-Kurs in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen, reicht mitunter schon der Flügelschlag eines Schmetterlings. Als es übers Wochenende hieß, Amazon werde schon bald Bitcoin akzeptieren, trieb das den Kurs kräftig nach oben – nur um ihn dann am Montag in den Rückwärtsgang schalten zu lassen, als Berichte die Runde machten, die US-Behörden würden eine strafrechtliche Verfolgung von Managern des Stablecoin Te­ther planen. Es stellte sich raus: An der Amazon-Geschichte ist nichts dran, die Ermittlungen gegen Tether sind uralt. Aber es reichte aus, um den aufgrund von Short-Eindeckungen heißgelaufenen Bitcoin-Kurs um 1000 Dollar gen Süden zu schicken.

Der Spotpreis von Bitcoin wird erheblich von den Futures-Positionierungen­ am Derivatemarkt bestimmt, was grundsätzlich einen berechenbaren Markt entstehen lässt, wie ihn institutionelle Investoren schätzen. Und denen ist es egal, ob Bitcoin einen intrinsischen Wert besitzt oder nicht: Solange es einen liquiden Handel gibt, kann man auf die Wertentwicklung spekulieren. Und den Handelsplätzen wiederum kann es auch ein Stück weit egal sein, ob die Notizen anziehen oder nicht. Denn sie verdienen an jedem Trade im Spothandel, wobei man Retail mehr abknöpfen kann als den Profis – Coinbase lebt sehr gut von diesem Unterschied. Noch lukrativer ist allerdings der Derivatehandel, wo sich Binance eine goldene Nase verdient hat.

Doch für die im Mittelpunkt des „crackdown on crypto“ stehenden Marktführer wendet sich das Schicksal. Binance wird Stück für Stück abgeschnitten vom Zahlungsverkehr, selbst die Cayman Islands als Inbegriff der Offshore-Industrie fordern nun Transparenz von Binance-Chef Changpeng Zhao (CZ) ein. Der hat lange genug sein Katz-und-Maus-Spiel mit den Regulatoren getrieben, die nun jeden Stein umdrehen an den Schnittstellen zum regulierten Finanzsystem – und überall was finden. Das ist kein Umfeld für institutionelle Investoren, die mit dem Abzug von Geldern beginnen. Mehrere Hedgefonds erklärten die Tage, dass sie ihre Exposures auf der Binance-Plattform erheblich reduziert hätten, weil sie unkalkulierbare Gegenparteirisiken wittern. Ergebnis: Das Derivatevolumen auf Binance knickte im Juli um die Hälfte ein.

Diese Gelder sind aber in der Regel nicht aus dem Kryptoökosystem verschwunden, sie werden nur an andere Handelsplätze weitergeleitet. Der beliebteste Heimathafen für Derivate-Trader ist die in Hongkong registrierte FTX. Die hat zwar erst gut 1 Million Nutzer, die für ein tägliches Handelsvolumen von mehr als 10 Mrd. Dollar sorgen, hat sich aber in den zwei Jahren ihres Bestehens ein solches Standing erarbeitet, dass FTX als das nächste ganz große Ding gilt – und zwar schon bevor das Start-up vergangene Woche 900 Mill. aufnahm zu einer Bewertung von 18 Mrd. Dollar. Denn der als CEO agierende Wuschelkopf Sam Bankman-Fried legt auf So­cial Media und in Gesprächen auch mit dem kleinsten Branchendienst eine Professionalität und Zugänglichkeit an den Tag, die sinnbildlich ist für eine auf Offenheit und Kollaboration basierende Investorengemeinde. Diese weichen Faktoren darf man nicht unterschätzen, sie bilden die Basis für Business-Partnerschaften.

Und während FTX stellvertretend für Main Street steht, geht mit Bullish ein Handelsplatz an den Start, der aufgrund des Mitwirkens von Milliardären wie Peter Thiel unweigerlich High Street symbolisiert – auch wenn die Muttergesellschaft Block.One eine Blockchain-native Firma ist. Deren Bitcoin-Bestand wird in Bullish eingebracht, die mit Merger in einen Spac 9 Mrd. Dollar wert sein dürfte, ohne einen einzigen Trade abgewickelt zu haben. Das hybride Orderbuch von Bullish soll DeFi-Funktionalitäten mitbringen, was für eine automatisierte Tiefe der Liquidität sorgt – eine Route, die auch Robinhood beschreiten will, indem sie Liquiditätspools vom beliebten DeFi-Exchange Uniswap einbindet. Diese Verbindung von Central (Cex) und Decentral Exchanges (Dex) dürfte rasend schnell vonstattengehen.

Dafür dürfte niemand so gut gerüstet sein wie FTX, die mit „street credibility“ und einem agilen Entwicklerteam gesegnet ist. Als Nächstes wird FTX eine Broker-Dealer-Lizenz in den USA lösen und dann dort regulären Aktienhandel anbieten. Außerdem steht M&A auf der Agenda. Was man tunlichst unterlassen wird: Marktdaten zu verkaufen. Denn dem Ethos der Entwickler zufolge gehören diese Daten den Marktteilnehmern. Aus diesem Spirit heraus entstehen neue, offene Handelsimperien.