Ungleichgewichte weitgehend abgebaut
Marktturbulenzen
Ungleichgewichte weitgehend abgebaut
Von Dieter Kuckelkorn
Die Carry Trades im Yen sind weitgehend abgebaut, die Rezessionssorgen in den USA haben nachgelassen.
Die Aktienmärkte haben in den vergangenen rund drei Wochen eine äußerst unruhige Phase hinter sich gebracht. Der amerikanische Leitindex S&P 500, der Mitte Juli ein Allzeithoch von 5.670 Punkten markiert hatte, sackte um 8% ab, seither hat er sich aber wieder etwas erholt. Der Nikkei 225 verzeichnete den schlimmsten Tagesverlust seit 1987, konnte aber schon am nächsten Tag eine äußerst kraftvolle Erholung verbuchen. Der Dax krachte binnen nur drei Handelstagen um fast 1.500 Indexpunkte ein, hat seither aber ebenfalls zu einer wenn auch relativ kraftlosen Erholung angesetzt. An den Märkten fragen sich viele Akteure, ob die Turbulenzen nun beendet sind oder ob der Abbau der Ungleichgewichte an den Märkten bislang unzureichend sein könnte, so dass noch mehr an Verlusten zu erwarten wäre.
Carry Trades abgebaut
Aktuell gibt es zwei Themen, die die Märkte belasten und die zu den Turbulenzen geführt haben. Als Erstes ist die Lage in Japan zu nennen. Dort hatte es umfangreiche Carry Trades gegeben. Einheimische und internationaler Anleger hatten sich mit Blick auf die dort ultraniedrigen Zinsen im Yen finanziert und die Mittel dann in höher verzinslichen Assets, unter anderem in den großen amerikanischen Technologieaktien, angelegt. Dann aber hatte die Bank of Japan den Leitzins erhöht, und ihr Gouverneur ließ durchblicken, dass weitere Zinserhöhungen in der Pipeline seien. Damit war allen Beteiligten klar, dass diese spekulativen Carry Trades nicht länger aufrechtzuerhalten sind und rückabgewickelt werden müssen. Die meisten Marktbeobachter sind sich einig, dass der Großteil der spekulativen Carry Trades inzwischen abgebaut ist und dass insofern zumindest kurzfristig aus dieser Richtung den Märkten kein neues Ungemach droht.
Allerdings hat die Aufgabe der Nullzinspolitik durch die Bank of Japan, auch wenn diese nun erklärtermaßen gemächlich und mit Augenmaß durchgeführt werden soll, langfristig durchaus schwerwiegende Auswirkungen auf die japanische Volkswirtschaft. Der japanische Staat ist nämlich seit Jahrzehnten auch so etwas wie einen Carry Trade eingegangen, und zwar im gigantischen Volumen von umgerechnet rund 20 Bill. Dollar, wie die Analysten der Deutschen Bank vorrechnen. Der japanische Staat hat sich über Staatsanleihen mit ultraniedriger Verzinsung finanziert, gleichzeitig aber – unter anderem über staatliche Pensionsfonds – in höher verzinsliche Assets angelegt. Wie mit dieser Positionierung umgegangen und zu wessen Lasten sie in den nächsten Jahren abgebaut wird, ist noch unklar.
Das zweite Thema, das zu blank liegenden Nerven an den Märkten geführt hatte, war die aufgekommene Sorge, dass es kurzfristig zu einer Rezession in den USA kommen könnte. Die Fed hatte auf ihrer Zinssitzung Ende Juli davon abgesehen, den Leitzins zu senken, und dies mit einer hartnäckigen Inflation begründet. Hinzu kam dann ein enttäuschender Arbeitsmarktbericht. Die jüngsten Frühindikatoren haben den Marktteilnehmern inzwischen aber zumindest einen Teil der Ängste genommen.
Niedrige Profitabilität
Dabei sollte nicht übersehen werden, dass die Lage in der US-Realwirtschaft außerhalb des Finanzsektors und jenseits der Aktienmärkte alles andere als rosig ist. Die Profitabilität im gesamten US-Unternehmenssektor unter Ausklammerung des Finanzsektors ist auf den niedrigsten Stand seit dem Ende der großen Rezession von 2008/09 gefallen. Mit Blick auf die langfristigen Folgen für Arbeitsmarkt und Investitionen ist mittelfristig eine Rezession durchaus absehbar, allerdings nicht sofort, sondern in der Perspektive von bis zu mehreren Jahren.
Damit bleibt noch eine Frage übrig, nämlich, wie weit fortgeschritten der Abbau des Hypes hinsichtlich Themen wie künstliche Intelligenz und Elektromobilität ist. Nach wie vor erscheinen die Bewertungen einiger großer amerikanischer Technologiekonzerne als ziemlich luftig. Allerdings ist zu erwarten, dass sich derartige Marktungleichgewichte im Rahmen einer Sektorrotation geordnet abbauen können, ohne dass es zu einem neuen Crash an den Märkten kommen sollte.