Das Ende der Zurückhaltung
Labour an der Macht
Das Ende der Zurückhaltung
Von Andreas Hippin
Labour erhöht nicht nur die Steuern, sondern auch die Staatsverschuldung. Ob das erhoffte Wachstum dadurch entsteht, ist fraglich.
Die erste Frau an der Spitze des britischen Schatzamts hat gleich in mehrfacher Hinsicht überrascht. Mit höheren Steuern und höheren Staatsausgaben hatte man ja gerechnet. „Tax and spend“ gehört schließlich zu den ersten Dingen, die einem zu Labour einfallen. Doch das Ausmaß der von Rachel Reeves geplanten Neuverschuldung kam unerwartet.
Um mehr Spielraum zu haben, stellte sie die Berechnung der Schuldenlast auf eine neue Grundlage. Künftig bleiben die Verluste, die der Bank of England beim Abverkauf der seit der Finanzkrise zusammengekauften Anleihen entstehen, dabei unberücksichtigt. Im Wahlprogramm von Labour war von solchen Schritten nicht die Rede.
Mehr Geld für Investitionen
Doch mit der Zurückhaltung hat es nun ein Ende. Vermutlich müssen die britischen Steuerzahler froh sein, dass sich die Schatzkanzlerin nicht für die radikalste Version entschieden hat: die Verrechnung der durch staatliche Investitionen entstehenden Vermögenswerte mit den Schulden. Vielleicht hat die Diskussion darüber dafür gesorgt, dass es nach dem Regierungswechsel so lange dauerte, bis Reeves ihren Haushalt vorlegte.
Labour argumentiert damit, dass den Menschen funktionierende öffentliche Dienstleistungen wichtiger seien als Steuersenkungen. Die Regierung will in großem Stil in den maroden National Health Service und Infrastrukturvorhaben investieren. Nur so glaubt sie nachhaltiges Wachstum schaffen zu können. Dafür bricht sie sogar ihr Wahlversprechen, die Sozialversicherungsbeiträge nicht zu erhöhen.
Steigende Mieten, höhere Zinsen
Zwar steigen nur die Arbeitgeberbeiträge. Doch hatten einen Anstieg dieser Größenordnung nur wenige Unternehmen auf der Rechnung. Es ist eine Steuer auf Beschäftigung. Nachdem sich Labour bereits entschlossen hat, Bildung zu besteuern – in Form von Mehrwertsteuer auf Schulgebühren –, vermag das auch nicht mehr zu verwundern.
In Verbindung mit der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns dürften die höheren Sozialversicherungsbeiträge zahllose kleine Firmen in Bedrängnis bringen. Die Arbeitnehmer werden das in Form von sparsameren Lohnerhöhungen zu spüren bekommen. Denn die Arbeitgeber werden einen großen Teil der Kosten an sie weiterreichen.
Steigende Renditen
Und damit nicht genug: Reeves’ Haushalt dürfte für höhere Zinsen, steigende Mieten und einen stärkeren Preisauftrieb sorgen. Die Sorge um die höhere Neuverschuldung und das damit verbundene größere Angebot an Staatsanleihen ließ bereits die Renditen zehnjähriger Papiere nach oben schießen. Das bedeutet höhere Zinsen für Hypothekenschuldner, die refinanzieren müssen.
Die Bank of England wird den Leitzins mit Blick auf die hohen Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und die expansive Fiskalpolitik vermutlich langsamer senken als bislang erwartet. Die Erhöhung von Kapitalertragsteuer und Stempelsteuer für Anlageimmobilien dürfte dafür sorgen, dass sich noch mehr Vermieter vom Mietmarkt zurückziehen. Erstkäufern wird der Schritt zur eigenen Immobilie von Labour durch eine erhebliche Senkung der bisherigen Freibeträge erschwert.
Zweifel an Wachstum
Die Teuerungsrate dürfte nach oben gehen, weil Unternehmen versuchen werden, steigende Kosten auf die Verbraucher abzuwälzen. All das wäre nicht so schlimm, wenn sich das angestrebte Wachstum wirklich einstellen würde. Doch haben die unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility Zweifel daran. Aus ihrer Sicht wird sich der wirtschaftliche Output durch die Maßnahmen von Labour in ihrem mehrjährigen Prognosezeitraum nicht wesentlich verändern.
Ein Großteil der geplanten staatlichen Investitionen ballt sich im laufenden und kommenden Jahr, was für einen kurzen Zuckerrausch sorgen dürfte. Ob in so kurzer Zeit tatsächlich sinnvoll investiert werden kann, wird sich zeigen. Sollte das Wachstum ausbleiben und keine spürbare Verbesserung bei den öffentlichen Dienstleistungen eintreten, wird Labour schon bald wieder in der Opposition sein.