Im BlickfeldMedien in Frankreich

Nährboden für Populisten

Milliardäre dominieren Frankreichs Medien. Vivendi-Hauptaktionär Bolloré bietet rechtsextremen Ideen bei seinen Sendern und Zeitungen eine Tribüne.

Nährboden für Populisten

Medien in Frankreich

Nährboden für Populisten

Industrielle dominieren Frankreichs Medienlandschaft − Interessenkonflikte sind programmiert − Bollorés Sender CNews gilt als Pendant von Fox News

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Von Gesche Wüpper, Paris

Analysen, Hintergrundberichte und neueste Umfragen: Die überraschend von Präsident Emmanuel Macron angesetzten Neuwahlen haben französischen Informationsmedien einen neuen Boom beschert. Ihre Nutzerzahlen sind so nach oben geschnellt wie zuletzt bei Beginn des Ukraine-Krieges. Die vorgezogenen Parlamentswahlen könnten auch die Medienlandschaft kräftig durcheinanderwirbeln. Denn der rechtsextreme Rassemblement National (RN) will die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender privatisieren. Dagegen will Noch-Kulturministerin Rachida Dati France Télévision und Radio France mit ihren jeweils fünf landesweiten Sendern fusionieren.

Industrielle dominieren

Neben den beiden öffentlich-rechtlichen Sendergruppen dominieren Industrielle Frankreichs Medien. Mal greifen sie mehr wie Vincent Bolloré, mal weniger stark in die Ausrichtung der Redaktionen ein. Diese enge Verflechtung von Industrie und Medien hat in Frankreich Tradition, spätestens seit Bouygues den Fernsehsender TF1 nach der Privatisierung 1987 übernommen hat. Seitdem hat die Dassault-Gruppe den „Figaro“ erworben, LVMH erst Radio Classique, dann die Wirtschaftszeitung „Les Échos“. Jüngster im Bunde ist Rodolphe Saadé. Der Chef der Reederei CMA-CGM, der Präsident Macron nahesteht, übernimmt nach „La Tribune“ jetzt gerade von Altice die BFM-Sender.

„Die Konzentration der privaten Pressegruppen in den Händen einiger Geschäftsleute wird zu einem starken Problem in dem Land“, urteilt Reporter ohne Grenzen. Die Ausdehnung der Gruppe Bollorés bereite der Branche wegen der brutalen und interventionistischen Methoden ihres Aktionärs und des mangelnden internen Pluralismus Sorgen. Die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender wiederum sei geschwächt, da ihre Finanzierung nach Abschaffung der Rundfunkgebühren nicht nachhaltig sei, meint die Nichtregierungsorganisation.

Frankreichs Pendant zu Fox News

Marine Le Pens rechtsextremer RN wirft ihnen regelmäßig vor, einseitig die Ideen der Linken zu vertreten. Dabei hat France Télévision gerade fünf Journalisten von der Wahlkampfberichterstattung ausgeschlossen, weil sie einen Aufruf von 90 anderen Medien unterzeichnet haben, sich gegen den Rechtsextremismus zu stemmen. Das widerspreche dem Neutralitätsprinzip von France Télévision, argumentiert die Sendergruppe. In Frankreich sind Fernseh- und Radiosender angehalten, im Namen des Pluralismus die politischen Kräfte so widerzuspiegeln, wie es die Wähler entschieden haben.

Eigentlich. CNews setze sich über diese Regeln hinweg, beklagen Branchenvertreter. Der Nachrichtensender Bollorés gilt inzwischen als das französische Pendant zu Fox News, dem Kanal, der Donald Trump in den USA groß gemacht hat. Ursprünglich gehörten dem erzkatholischen Milliardär nur die beiden Fernsehsender Direct 8 und Direct Star, doch dann verkaufte er sie 2012 an die Canal+-Gruppe im Tausch gegen Aktien von Vivendi und stockte diese Beteiligung weiter auf.

Bühne für rechtsextreme Ideen

Schon bald griff Bolloré immer stärker bei den Sendern der Gruppe ein, zu denen auch CNews gehört. So ließ er die beliebte Satire-Sendung „Les Guignols de l’Info“ ausbluten, genau wie investigative Beiträge. Dafür räumte er bei CNews nach und nach rechtsextremen Ideen und Kommentatoren immer mehr Platz ein, darunter dem für seine islamfeindlichen, nationalistischen Hasstiraden bekannten Éric Zemmour. Der frühere Journalist, der jetzt der noch rechter als der RN angesiedelten Partei Reconquête vorsteht, trat 2019 bis 2021 in einer abendlichen Talkshow von CNews auf.

Bolloré sei es innerhalb von wenigen Jahren gelungen, die Werte und die Identität der eigentlich für ihre kritische, eher linke Haltung bekannten Sender von Canal+ zu unterwandern, sagt Medienhistoriker Alexis Lévrier von der Universität Reims. Bei dem seit der Übernahme der Lagardère-Gruppe ebenfalls zu seinem Imperium gehörenden Radiosender Europe 1 und der Sonntagszeitung „JDD“ habe er damit weitergemacht. Bei der einst moderaten „JDD“ holte er den als rechtsextrem bekannten Geoffroy Lejeune als Chefredakteur.

Nährboden für Populismus

„Wer hat dem Populismus den Boden bereitet?“, fragten sich Vertreter der Journalisten-Gewerkschaft kurz nach den Europawahlen während einer Betriebsratsversammlung von France Télévision. „Wer hat denn den Vorsitzenden einer rechtsextremen Partei zur besten Sendezeit auf dieselbe Stufe wie einen Premierminister gestellt?“ Denn es sind nicht nur die Medien Bollorés, die zum Erstarken des RN beigetragen haben. France 2 etwa hat Ende Mai abends eine Debatte zwischen dem RN-Vorsitzenden Jordan Bardella und Premier Gabriel Attal organisiert.

Die Berichterstattung über aktuelle Themen appelliere inzwischen oft an Gefühle und nicht an den Verstand, bedauert Moderator David Pujadas vom Nachrichtensender LCI. Wenn man nur noch Emotionen bediene, nähre man damit den Populismus. Genau wie die Themenauswahl. So berichten Medien wie der konservative „Figaro“ der Dassaults seit ein paar Jahren verstärkt über Kriminalität und andere Themen, die bei Lesern das Gefühl schüren, sie könnten sich in Frankreich nicht mehr sicher fühlen. Auch andere Themen des RN wie Kaufkraft und Immigration finden inzwischen häufiger in französischen Medien statt. „Es sind Themen des täglichen Lebens, die die Wähler jetzt motivieren“, sagt Oddo-BHF-Chefökonom Bruno Cavalier. Kaufkraft und das Thema Sicherheit spielen dabei eine wichtige Rolle.

Bollorisierung der Medien

Einige Experten sprechen bereits von einer „Bollorisierung“ französischer Medien. Der Einfluss des Milliardärs gehe weit über seine eigene Gruppe hinaus, meint Medienhistoriker Lévrier. So böten seine Sender häufig eher unbekannten rechtsextremen Medien eine Bühne. Durch die ständige Wiederholung von rechtsextremem Vokabular in seinen Medien werde dieses banalisiert. Kurz vor den Neuwahlen scheinen die Medien Bollorés nur ein Ziel zu kennen: dem Bündnis des RN mit anderen Rechten zum Sieg zu verhelfen und das Linksbündnis Nouveau Front Populaire zu verhindern.

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