Rätselraten über die Rezession
Krones häuft ähnlich wie viele Unternehmen einen riesigen Auftragsbestand an. Gut 3 Mrd. Euro standen im Juni in den Büchern, so viel wie niemals zuvor in der Geschichte des Herstellers von Verpackungs- und Getränkeabfüllanlagen. Zum Jahresende werden die Kunden voraussichtlich sogar auf Waren im Wert von mehr als 3,5 Mrd. Euro warten. Dies entspricht dem Krones-Umsatz 2021. Trotzdem hat der Vorstand seine Ziele 2025 auf dem Kapitalmarkttag nicht erhöht. Wie ist dies zu bewerten?
Die Zurückhaltung ist nicht nur angesichts des Auftragsbuchs eine Enttäuschung, sondern auch wegen der substanziellen Krones-Preiserhöhungen. Angesichts dieser beiden Faktoren ist das 2025er Umsatzziel von mindestens 5 Mrd. Euro am unteren Ende nicht nur konservativ, sondern auf den ersten Blick unglaubwürdig. Denn nach allgemeiner Erwartung werden die Elektronikkomponenten Mitte 2023 wieder besser verfügbar sein. Dann kann der Auftragsberg im Jahr 2024 zügig abgearbeitet werden. Die aktuellen Lieferzeiten von 15 bis 16 Monaten sind den Kunden langfristig nicht zuzumuten, wenngleich die Rückkehr zu den früheren fünf Monaten unwahrscheinlich ist.
Der treibende Faktor für die Vorsicht ist eine Überlegung, die für alle Maschinenbauer mit vollen Auftragsbüchern gilt: Kein Mensch weiß, wie lange die Rezession dauert. Eineinhalb Jahre können Krones&Co angesichts der Orders locker abfedern. Anschließend wird es selbst auf Wachstumsmärkten wie der Getränkeindustrie eng. Sinkende Konsumentenzuversicht schlägt letztlich ebenfalls auf diese Branche durch, auch wenn vielleicht nur zu Hause statt im Restaurant getrunken wird. Bis es so weit ist, winken allerdings allen Unternehmen, die mit einem satten Auftragspuffer gesegnet sind, lukrative Geschäfte.
Der Verlauf einer Rezession hat eine weitere Folge, die die deutschen Unternehmen wesentlich mehr beschäftigen wird, als es ein paar stornierte Aufträge tun. Wenn der Abschwung in einem längeren Tal endet und die Kapazitäten in den Fabriken nicht mehr gefüllt werden können, dann kommt es zum Lackmustest: Wie entwickeln sich die Preise?
Die Erhöhungen im laufenden Jahr sind eine Zeitenwende für alle Unternehmen. Nur wenn das Niveau in zwei bis drei Jahren mindestens gehalten werden kann, wird der Profitabilitätsschub mehr als ein Strohfeuer sein. Volkswirtschaftlich mögen derartige Preiserhöhungen schädlich sein. Betriebswirtschaftlich aber sind sie, falls die Energiekosten wie erwartet hoch bleiben, alternativlos. Ob die überwiegende Mehrheit der Firmen 2024/2025 die erforderliche Disziplin aufbringt, ist keineswegs ausgemacht.