Notiert inWashington

Reiche Washingtoner Schulen in der Krise

Gymnasien in einem der reichsten Bezirke der USA könnten wegen der hohen Zahl von Schwänzern die Akkreditierung verlieren. Die Behörden wollen die Schulen sozial integrieren. Dagegen stemmen sich aber die Besserverdienenden.

Reiche Washingtoner Schulen in der Krise

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Reiche Schulen in der Krise

Von Peter De Thier

Bürger in einigen der besten Vororte von Washington, D.C., traf die Nachricht wie ein Keulenschlag: Mehrere öffentliche Gymnasien der 9. bis 12. Klasse stehen kurz davor, ihre Akkreditierung zu verlieren. Abschlusszeugnisse, das Gegenstück zum deutschen Abitur, würden dann nicht mehr staatlich anerkannt sein und wären mit Blick auf die Universitätszulassung gegenstandslos. Die Gründe dafür: die hohe Zahl von Schwänzern und Schulabgängern.

Schockiert sind Eltern deswegen, weil der Bezirk Fairfax County mit seinen 1,2 Millionen Einwohnern zu den wohlhabendsten der USA zählt. Dort sind Tech-Giganten wie Amazon, Microsoft und Google stark vertreten. Auch haben Geheimdienste wie die Central Intelligence Agency (CIA) und der Director of National Intelligence (DNI) in Fairfax County ihre Zentralen. Das durchschnittliche jährliche Haushaltseinkommen liegt bei über 190.000 Dollar, womit der Bezirk einer der reichsten in den USA ist.

Mit Blick auf die Probleme der Highschools in den Vereinigten Staaten ist das deswegen relevant, weil viele Familien bewusst deswegen nach Fairfax County ziehen, um ihre Kinder dort an öffentliche Schulen zu schicken. Diese zählen nämlich seit Jahrzehnten zu den besten im Lande. „Ich war sprachlos, als ich hörte, dass einige unserer Highschools quasi vor dem Aus stehen“, staunt Megan F., eine Rechtsanwältin aus Ohio. Sie und ihr Mann, Lobbyisten für die Tabak- und die Pharmaindustrie, zogen mit ihren 15-jährigen Zwillingen in die Stadt McLean, damit ihre Kinder umsonst eine der Top-Highschools besuchen können.   

Was die Behörden gegen die hohe Ausfallquote unternehmen können, ist seit Wochen Gegenstand heftiger Diskussionen bei Vorstandssitzungen der Schulbehörde von Fairfax County. So bleiben bei einigen Highschools mehr als 20% der Schüler regelmäßig unentschuldigt dem Unterricht fern. Auch erreicht der Anteil derer, die gar nicht mehr erscheinen, teilweise mehr als 10%.

Michelle Reid, Vorstandschefin der Fairfax County Public Schools, glaubt, eine Lösung zu haben. Schließlich zeichnet sich der politisch liberale Bezirk trotz seines Wohlstands durch ethnische und sozioökonomische Vielfalt aus. Reid will durchsetzen, dass Kinder aus ärmeren Familien, die oft Jobs nachgehen müssen und deswegen dem Unterricht fernbleiben, künftig in Highschools mit einem höheren Anteil wohlhabender Familien integriert werden. Das würde sie motivieren, einen Abschluss anzustreben und zu studieren, und somit den Weg für eine lukrative berufliche Laufbahn pflastern.

Davon wollen aber Eltern wie Megan nichts wissen. „Ich bin für die Förderung wirtschaftlich schlechter gestellter Kinder, aber dafür sind wir nicht in diese teure Gegend gezogen“, klagt die Anwältin. Der Streit tobt jedenfalls weiter. Unterdessen droht im neuen Schuljahr, das gerade begonnen hat, mehreren Highschools der Entzug der Akkreditierung, womit Tausenden von Schülern der Weg zur Uni versperrt bliebe.

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