Kommentar:Beruf und Familie

Revolutionäre Allianz

Kinder oder Aufstieg? Top-Führungskräfte in Deutschland können die Antwort auf diese Frage künftig neu denken. Die Allianz hat hierzu eine revolutionäre Entscheidung getroffen.

Revolutionäre Allianz

Beruf und Familie

Revolutionäre
Allianz

Von Michael Flämig

Kinder oder Aufstieg? Top-Führungskräfte in Deutschland können dies künftig neu denken.

Personalentscheidungen sind zum Jahresende Dutzendware. Der Stichtag führt zu allerlei Wechseln auch in den Vorständen der Multis. Doch mit welcher Begründung Katja de la Viña den Vorsitz des Allianz-Lebensversicherers in Deutschland abgibt, ist kein Business as usual. Es ist in dieser Konstellation ein Novum.

Sogar revolutionär ist, dass die Allianz diese Begründung als Arbeitgeber nicht nur akzeptiert, sondern unterstützt. Eine Art der Entscheidung, die vor 20 Jahren in einer derartigen Top-Position ausgeschlossen war, ist ab sofort nicht nur denkbar. Sie wird künftig machbar. Die Folgen werden viele Personalabteilungen spüren.

Kinder im Fokus

Was ist passiert? Die im Jahr 2022 angetretene de la Viña will künftig für ihre zwei Kinder da sein, die etwa im Grundschulalter sind. Daher verlässt sie den Chefposten eines Versicherers mit jährlichen Beitragseinnahmen von mehr als 21 Mrd. Euro und wechselt auf eine Allianz-Teilzeitposition.

Diese Begründung zumindest steht in der Pressemitteilung. Nun ist Papier geduldig, und sobald private Gründe für einen Rückzug angeführt werden, ist Vorsicht angesagt. Allerlei angebliche Rückenleiden haben sich in Luft aufgelöst, wenn abgehalfterten Managern der nächste Spitzenjob winkte. In diesem Fall allerdings gibt es – aller Recherche nach – keine Geschichte hinter der Geschichte. De la Viña möchte einfach ihren Nachwuchs miterleben.

Missliche Lage

Für den Versicherer ist dies eigentlich eine missliche Situation. Ein Koloss wie Allianz Leben verlangt nach kontinuierlicher Führung, zumal der Viña-Vorgänger nach vergleichbar kurzer Zeit in den SE-Vorstand aufstieg. Außerdem ist die Frage berechtigt, warum der Managerin ihre Präferenz nicht schon 2021 klar war, als sie den Job annahm. Die übliche Reaktion eines Dax-Wertes wie der Allianz wäre gewesen: Okay, müssen wir akzeptieren, damit ist das Berufsleben des Kündigenden im eigenen Haus aber beendet.

Der Versicherer wählt einen anderen Ansatz. Die Gedanken: Wenn wir Frauen ermutigen, in verantwortungsvolle Positionen zu gehen, müssen wir akzeptieren, dass es in einer bestimmten Familienphase – vielleicht auch zur eigenen Überraschung des Elternteils – dann doch nicht passt. Wir reagieren nicht eingeschnappt, sondern suchen einen Ausweg. Wenn die nächste Phase für die Frauen (oder auch Männer) kommt, haben wir wieder eine hervorragende Führungskraft.

Vorbild für andere Arbeitgeber

So mancher Manager in deutschen Unternehmen, ob männlich oder weiblich, wird in der Zukunft die Frage stellen: Wenn die Allianz dies kann, warum nicht auch mein Arbeitgeber? Moderne Personalführung muss sich darauf einstellen.

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