Seuchendrama in ländlicher Idylle
Notiert in Frankfurt
Seuchendrama in ländlicher Idylle
Von Lutz Knappmann
Die „infizierte Zone“ reicht mittlerweile bis an die Außenbezirke Frankfurts heran, weite Teile des Stadtgebiets liegen mitten in einer „Pufferzone“. Doch in ihrem Alltag spüren die allermeisten Menschen in der Main-Metropole davon nichts. Dabei entfaltet sich direkt vor ihrer Haustür ein Seuchendrama, das vielen Tausend Tieren das Leben zu kosten droht – und das für Landwirte in der Region existenzgefährdende Folgen haben könnte. Die Afrikanische Schweinepest breitet sich in Hessen aus, ebenso in Rheinland-Pfalz und seit wenigen Tagen wohl auch in Baden-Württemberg. In allen drei Bundesländern sind infizierte Wildschweine entdeckt worden. Und das Risiko steigt, dass die Seuche auf Bauernhöfe und Schweinemastbetriebe übergreift.
Medizinisch ist die Schweinepest für den Menschen ungefährlich, selbst dann, wenn er Fleisch von infizierten Tieren verzehrt. Das lässt die grassierende Seuche im Alltag rasch wieder aus dem Blickfeld rücken. Für infizierte Wild- und Hausschweine hingegen verläuft sie fast immer tödlich. Weshalb die Maßnahmen zur Eindämmung der Schweinepest drastisch sind: Werden etwa in einem Mastbetrieb infizierte Tiere gefunden, müssen sämtliche Schweine im Umkreis von drei Kilometern getötet werden. Nicht nur für die betroffenen Landwirte eine Katastrophe.
Entsprechend großen Aufwand betreiben momentan zahlreiche Landkreise in der Region, um eine weitere Ausbreitung zu stoppen. Mit Hunden, immer häufiger aber auch mit hochmodernen Drohnen, suchen Einsatzkräfte nach Kadavern verstorbener Wildschweine, um sie zu bergen und auf eine Infektion zu testen. In einigen Orten ruht derzeit die Maisernte, weil zwischen den mannshohen Pflanzen ebenfalls tote Wildschweine verborgen liegen könnten. Anderenorts bereiten die Behörden mobile Zäune vor, die sie im Bedarfsfall aufstellen können, um die Wanderung infizierter Tiere zu unterbinden.
Tatsächlich ist aber wohl der Mensch selbst einer der größten Risikofaktoren: Immer wieder schleppen unvorsichtige Personen nach Kontakt mit infizierten Tieren die Erreger in den Nachbarort oder in den nahegelegenen Schweinestall ein. Haushalts- und Industrieabfälle, die infizierte Fleischreste enthalten, gelten ebenfalls als wiederkehrender Seuchenherd.
Weshalb sich Spaziergänger und Hundebesitzer, aber auch Jäger und Pilzsammler derzeit in einigen Regionen Hessens mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert sehen, um jeglichen Kontakt zu infizierten Wildschweinen zu verhindern. Und weshalb Mitarbeiter auf Bauernhöfen gehalten sind, strenge Hygiene- und Desinfektionsregeln einzuhalten.
Dass die Schweinepest ihr zerstörerisches Werk überhaupt in solchen Dimensionen verrichten kann, hat freilich ebenfalls der Mensch zu verantworten. Es ist die Massentierhaltung, die aus einer gefährlichen Krankheit für frei lebende Wildtiere ein ökologisches und ökonomisches Risiko in industriellem Maßstab macht.