Sonderfall Porsche
Eine Selbstverständlichkeit ist das angesichts des düsteren Umfelds inmitten der Energiekrise ganz sicher nicht: Ganz lässig hat die Porsche AG mal eben an der Börse eingeparkt. Mit den 9,4 Mrd. Euro Emissionserlös ist der Porsche-Börsengang das größte IPO in Europa seit einem Jahrzehnt und findet unter den schwierigsten Marktbedingungen seit Jahren statt. Die Zahl der Börsengänge ist laut EY-Analyse weltweit im dritten Quartal um 41% auf 355 gesunken. Seit dem Jahr 2000 waren nur die IPOs von Glencore und Rosneft noch größer. In Deutschland handelt es sich um den größten Börsengang seit dem IPO der Deutschen Telekom vor einem Vierteljahrhundert.
Weltweit ist es nach den Daten der Unternehmensberatung EY der größte Börsengang im dritten Quartal und der zweitgrößte im bisherigen Jahresverlauf. Nur das IPO der LG Energy aus Südkorea war in diesem Jahr mit einem Emissionserlös von 10,7 Mrd. Dollar noch größer. Bezogen auf die Marktkapitalisierung ist Porsche sogar das größte Unternehmen, das in diesem Jahrtausend in Europa an die Börse gegangen ist.
Alle diese Rekorde zeigen im Vergleich zu der sonstigen Flaute am IPO-Markt noch einmal in aller Deutlichkeit, worum es bei Porsche geht: Es handelt sich um einen absoluten Sonderfall. Die Marke ist extrem stark. Porsche kennt wirklich jeder. So orderten nicht nur klassische Autoindustrie-Investoren die Aktie, sondern auch Großanleger, die sonst auf Luxusgüter im Allgemeinen setzen. Fünffach überzeichnet waren die Bücher, und nur die Hälfte der Nachfrage zum Ausgabepreis von 82,50 Euro konnte bedient werden. Obwohl die Aktie am oberen Ende der Spanne gepreist wurde. Obwohl es die personellen Verflechtungen zwischen VW-Vorstand und Porsche-Vorstand sowie zwischen VW und den Eigentümerfamilien Piëch und Porsche gibt. Obwohl die Vorzugsaktionäre definitionsgemäß über keinerlei Mitsprache- und Stimmrechte verfügen. Undobwohl eine Sperrminorität von 25 % plus eine der stimmberechtigten Aktien zu einem geringen Aufschlag an die VW-Eigentümerfamilien ausgegeben wurde.
Das alles hat die Investoren nicht abgeschreckt. Von den Vorzugsaktien gingen sogar 7,7 % an Privatanleger. Aber die Emission war auch schon frühzeitig gut abgesichert: Vier Großinvestoren – die Staatsfonds von Katar und Norwegen, T. Rowe Price und ADQ aus Abu Dhabi – machten zusammen fast 40 % der Nachfrage aus. Viele Scheichs mögen Sportwagen, und ihr Kalkül, dass alle Wohlhabenden weiter einen Porsche 911 werden kaufen wollen, auch wenn sich die Erderwärmung fortsetzt und die Rezession viele andere Leute arm macht, dürfte aufgehen.
Was Porsche jetzt vorgemacht hat, kann kein anderes Industrieunternehmen so schnell nachmachen. Ein Eisbrecher, wie der Porsche-Vorstand es ankündigte und wie Investmentbanker es erhofft haben, wird das IPO nicht. Solange die Zinserhöhungen zur Bekämpfung der galoppierenden Inflation in vollem Gange sind, wird sich kein anderer in Deutschland aufs Parkett trauen. Das gilt auch für die Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera, die ja eigentlich zur Energiekrise eine Lösung beizutragen hätte. Es ist keine gewagte Prognose: Hierzulande wird das Jahr absehbar ohne ein weiteres IPO zu Ende gehen.