Madrid

Spanien testet Preistreiber-Shaming

Unternehmen, die staatliche Subventionen nicht an die Verbraucher weitergeben, werden in Spanien eigentlich mit einem Bußgeld belegt. Doch die Kontrolle ist schwierig. Daher setzt die Politik jetzt auf die vierte Gewalt.

Spanien testet Preistreiber-Shaming

Das Weihnachtsgeschäft läuft in Spanien etwas länger als anderswo, denn traditionell findet die Bescherung am Dreikönigstag statt. Bis zum 5. Januar herrscht in den Läden und im Online-Handel daher noch Hochbetrieb, dank der vielen Menschen, die auf den letzten Drücker ein Geschenk auftreiben müssen. Aber die Globalisierung hat in Spanien mittlerweile den hierzulande untypischen Weihnachtsmann zum Konkurrenten der „Reyes Magos“, der „magischen Könige“ wie sie hier heißen, gemacht und in den meisten Haushalten gibt es schon am Heiligabend Präsente.

Das hat auch praktische Gründe. Die Kinder können so während der Schulferien mit ihren neuen Sachen spielen und diese nicht erst am 6. Januar auspacken, unmittelbar bevor die Schule wieder beginnt. Diese Woche wird die Weihnachtsbeleuchtung in Madrids Straßen abgebaut und der Winterschlussverkauf hat begonnen. Die Schnäppchenjagd gestaltet sich in Zeiten hoher Inflation und diverser Subventionsmechanismen etwas unübersichtlich. Mehr als in Modeläden, Kaufhäusern oder auf Online-Portalen achten die Verbraucher dieser Tage besonders auf die Preise in Supermärkten und Lebensmittelgeschäften.

Denn seit dem 1. Januar ist die jüngste große Hilfsmaßnahme der Linksregierung zur Bekämpfung der Inflation in Kraft. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 4% auf Grundnahrungsmittel wurde ausgesetzt. Der sogenannte IVA auf Speiseöl und Nudeln wurde von 10 auf 5% gesenkt. Die Subvention gilt für ein halbes Jahr, es sei denn, die Kerninflation sinkt auf unter 5,5%. Die Lebensmittelpreise waren im November um 15% gestiegen. Die vorläufige allgemeine Inflationsrate lag im Dezember bei 5,8%, mit der niedrigste Wert in Europa, wie auch der EU-Kommissar für den Binnenmarkt Thierry Breton bei seinem Besuch in Madrid diese Woche hervorhob.

Im Gegenzug zur Steuererleichterung für Lebensmittel hat die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez den Tankrabatt von 20 Cent pro Liter wieder abgeschafft, da man nicht weiter fossile Brennstoffe fördern und Gutverdiener begünstigen wolle. Dafür sind öffentliche Verkehrsmittel für Pendler gratis.

Doch die Frage ist, wie kontrolliert man, dass die Händler die Mehrwertsteuersenkung uneingeschränkt an die Verbraucher weiterreichen? Wirtschaftsministerin Nadia Calviño verkündete am Montag, dass ihr Haus zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium und der Wettbewerbsaufsichtsbehörde CNMC ihre Kontrollinstrumente verschärfen werde, damit die Maßnahmen auch die gewünschte Wirkung zeigen. Denn unter Konsumenten und Volkswirten herrscht eine gewisse Skepsis, ob die Einzelhändler die Steuersenkung nicht eher zur Verbesserung ihrer Margen nutzen werden.

Eine erste Studie der renommierten Verbraucherschutzorganisation Facua ergab ein gemischtes Bild. Die Prüfer verglichen die Preise von fast 700 Produkten in den ersten Tagen nach der Reduzierung der Mehrwertsteuer und kamen zu dem Schluss, dass 50 Artikel teurer geworden waren oder gleich viel kosteten, also gut 7%. Am schlechtesten schnitt die spanische Supermarktkette Dia ab, wo 17% der Preise höher lagen. Die Branchenverbände der großen und kleinen Lebensmittelhändler versicherten, dass es in ihrem eigenen Interesse sei, den Verbrauchern beim Preis entgegenzukommen. Sie klagten lediglich darüber, dass die Mehrwertsteuersenkung bzw. deren zeitweise Aussetzung sehr kurzfristig gekommen sei, was die Umsetzung in den Supermärkten erschwert habe. Außerdem fordern sie, dass auch frischer Fisch und Fleisch steuerlich subventioniert werden sollen.

Die Regierung sieht für Unternehmen, welche die Steuersenkung nicht an die Verbraucher weitergeben, Strafen vor. Doch wie diese genau aussehen, ist nicht ganz klar. Ministerin Calviño machte einen eher ungewöhnlichen Vorschlag. „Ich bitte die Medien darum, zu berichten, welcher Supermarkt in Spanien am teuersten ist. Solche Dinge funktionieren, denn die Verbraucher sind nicht blöd“, erklärte Calviño. Die Regierung lagert den Sanktionsmechanismus für Preistreiber an die vierte Gewalt aus. Shaming statt Bußgeld.