Spaniens Reisekonzerne schreiben wieder schwarze Zahlen
Von Thilo Schäfer, Madrid
In der Tourismusbranche staunt man dieser Tage nicht schlecht über die Hartnäckigkeit der eigenen Kundschaft. Nach den coronabedingten Einschränkungen der letzten beiden Jahre scheint diesen Sommer nichts die Reiselust der Menschen zu trüben, weder das Abfertigungschaos an Flughäfen in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich noch Streiks bei den Airlines, mit hunderten gestrichenen Flügen, oder die saftigen Preisaufschläge vieler Hotels, Restaurants und Transportunternehmen im Zuge der hohen Inflation.
Der spanische Dachverband der Tourismusbranche Exceltur macht gar eine „Reise-Furore in ganz Europa“ aus. „Die Lust zu verreisen übertrifft die makroökonomischen Bedingungen, die diese Reiselust bremsen könnten“, hieß es im jüngsten Branchenausblick vom Juli. Die Wirtschaftsleistung des Sektors lag im ersten Halbjahr sogar leicht über dem Niveau von 2019, vor Ausbruch der Pandemie. Das lag an den gestiegenen Preisen, denn noch kommen weniger Touristen ins Land. Die Zahl der Gäste aus dem Ausland hat sich zwar rapide erholt, liegt aber noch unter dem Stand von vor drei Jahren. Das wird durch heimische Urlauber kompensiert, denn die Spanier machen nach wie vor verstärkt im eigenen Land Urlaub. Die Zahl der Übernachtungen lag im Juni mit 35 Millionen nicht weit von den 37 Millionen von Juni 2019. Die überraschend starke Entwicklung des Reisemarkts hat auch die meisten Konzerne im ersten Halbjahr wieder in die schwarzen Zahlen zurückgeführt. Die Hotelkette Meliá etwa machte im zweiten Quartal einen Gewinn von 62 Mill. Euro und schnitt mit einem Plus von 3 Mill. Euro im gesamten Halbjahr ab. Das internationale Unternehmen aus Mallorca spricht vom Phänomen des „revenge travel“, die Menschen wollten auf Teufel komm raus die verlorenen Urlaube der zwei Pandemie-Jahre nachholen. Es handele sich um eine Nachfrage, „die zum großen Teil eine geringere Preissensibilität zeigt, ein Faktor, der in der Mentalität der Reisenden in der Post-Covid-Zeit weniger wiegt als Qualität, Sicherheit oder Flexibilität“, kommentierte der CEO von Meliá, Gabriel Escarrer, im Halbjahresbericht.
Auch in Nord- und Südamerika, Asien und dem Rest Europas zogen die Zimmerbuchungen zuletzt sprunghaft an. So auch der Aktienkurs von Meliá nach Vorlage der Quartalszahlen, der am Mittwoch mit einem Plus von 6,3 % Tagessieger am Ibex 35 war. Der ebenfalls international aufgestellte Mitbewerber NH Hoteles verzeichnete sogar seinen besten Monat Juni überhaupt, mit einem Umsatz von 190 Mill. Euro. Das reichte jedoch nicht, um aus den roten Zahlen zu kommen. Doch verringerten sich die Verluste gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 von 145 Mill. Euro auf 15 Mill. Euro. „Wir erwarten, dass die gegenwärtige Stärke der Urlaubsreisen und die kräftige Erholung der Geschäftsreisen diese Entwicklung mittelfristig trägt“, erklärte der CEO von NH, Ramón Aragonés.
Amadeus, der Betreiber von Buchungssystemen und IT für die Reisebranche, kehrte im ersten Halbjahr ebenfalls in die schwarzen Zahlen zurück, mit einem Gewinn von 342 Mill. Euro. Der Umsatz bis Juni erhöhte sich von knapp 800 Mill. Euro im Vorjahreszeitraum auf rund 2 Mrd. Euro. Vor allem in Nordamerika war das Wachstum stark. Sogar die arg angeschlagene Flugbranche sieht Licht am Ende des Tunnels. IAG, die Muttergesellschaft von British Airways, Iberia und anderen Linien, machte im zweiten Quartal ebenfalls erstmals seit Beginn der Pandemie wieder einen Gewinn von 133 Mill. Euro. Aena, der staatlich kontrollierte, börsennotierte Betreiber fast aller Flughäfen Spaniens, sowie des Luton Airports und von Standorten in Brasilien, kehrte bis Juni in die Gewinnzone zurück, mit 164 Mill. Euro. Das Passagieraufkommen in den ersten sechs Monaten des Jahres entsprach 82% des Niveaus von 2019, erklärte das Unternehmen. Für das Gesamtjahr erwartet Aena einen Verkehr zwischen 75 und 85% des Volumens von vor drei Jahren.
Während IAG dank der Erholung seines Gewinns an der Madrider Börse letzte Woche mehr als 5% zulegte, wurden die Quartalszahlen von Aena mit einem Minus von 3,7% quittiert. Die Analysten fürchten um die begrenzte Möglichkeit des Flughafenbetreibers, seine Preise an die Inflation anzupassen. Das Unternehmen gab eine Erhöhung der Tarife für die Fluggesellschaften von gerade einmal 0,7% bekannt. „Trotz der guten Entwicklung des Verkehrs ist Aena wegen des regulatorischen Rahmens bezüglich der Inflation anfällig“, kommentierten die Analysten von Bankinter.
Die Preisexplosion der letzten Zeit stellt jedoch auch die rein privatwirtschaftlichen Tourismusunternehmen unter Druck. Für diesen Sommer konnten die Hotels in Spanien die Inflation zum Teil auf die Preise umschlagen, ohne die Nachfrage zu gefährden. Viele Experten glauben jedoch, dass die Mehrkosten für Energie, Lebensmittel oder auch Personal bald auf die Margen der Hotelgruppen wie Meliá drücken werden.
Sorgen vor dem Herbst
Die Preisentwicklung ist eine der großen Unwägbarkeiten der Reisebranche, neben dem Krieg in der Ukraine. Nachdem sich die Leute diesen Sommer den Urlaub nicht verderben lassen wollen, könnten viele im Herbst auf die Ausgabenbremse treten. Die steigenden Leitzinsen nehmen den zahlreichen Hypothekenkunden in Spanien zusätzlich Kaufkraft. Der Dachverband Exceltur sagt anhand der vorliegenden Buchungszahlen ein starkes drittes Quartal voraus, da Juli, August und auch September in die Hauptreisesaison fallen. Für den Herbst erwartet man „eine gewisse Abschwächung wegen der Unsicherheiten über eine mögliche Rezession in Europa und Nordamerika im vierten Quartal“, heißt im Bericht von Juli. Am Markt ist die Vorsicht angesichts der ungewissen Entwicklung schon zu spüren. Bei Meliá und IAG etwa haben Leerverkäufer ihre Wetten auf fallende Kurse erhöht. Spaniens Hoteliers und andere Unternehmen der Tourismusbranche werden also versuchen, das meiste aus der „Reise-Furore“ diesen Sommer herauszuholen.