Mailand

Strandbäder sind den Italienern lieb – und teuer

In Italiens Strandbädern sind die Preise für Liegestühle und Sonnenschirme kräftig erhöht worden. Gleichzeitig könnten die Leistungen nachlassen. Denn es fehlen Bademeister.

Strandbäder sind den Italienern lieb – und teuer

Die Hitzewelle hat Italien seit Wochen im Griff. Vor allem im Norden hat es teilweise seit vier Monaten nicht geregnet. Kein Wunder, dass Einheimische und Touristen früher als sonst an die Strände strömen. Vor allem an den Wochenenden sind die seit zwei bis drei Wochen geöffneten 30000 Strandbäder, die sich über die etwa 8000 Kilometer langen Küsten des Landes erstrecken, gut ausgelastet. Das betrifft vor allem die Adriaküste in Venetien und in der Emilia Romagna, Ligurien, die Toskana und die Strände vor Rom.

Wer nicht auf einem der oft schmalen, vollen und häufig verschmutzten „freien Strände“ (spiagge libere) Platz nehmen will, muss in diesem Jahr deutlich tiefer in die Tasche greifen als 2021. Ein Liegestuhl mit Sonnenschirm kostet in diesem Jahr durchschnittlich rund 7% mehr. Den Vogel schießen in diesem Jahr „Le Cinque Vele“ im süditalienischen Salento ab. Dort zahlt man zwischen 14. und 20. August 1099 Euro für zwei Liegestühle, Sonnenschirm, Badetücher. Pro Tag!!! Inklusive sind eine Flasche Wasser und am Nachmittag ein Aperitivo mit Früchten und einem Franciacorta-Schaumwein. Wer auf die „Foodbox“ verzichtet, zahlt 30 Euro weniger.

Ganz so teuer ist es natürlich nicht überall. In Senigallia in den Marken werden beispielsweise nur 129 Euro fällig – pro Woche. Etwas teurer ist es in Rimini. Dort, wie in den meisten Orten, sind die ersten drei Reihen die teuersten, ab Reihe vier wird es günstiger. In Rimini und Umgebung fehlen auch dieses Jahr die kaufkräftigen Russen und Ukrainer, die sonst mit Sonderflügen angekarrt werden. Neben den ohnehin treuen Deutschen, Schweizern und Österreichern wird nun verstärkt etwa um Polen geworben.

Selbst die Verbraucherverbände halten die Verteuerung im Großen und Ganzen für angemessen. Das ist erstaunlich angesichts der rasant steigenden Preise. Wer sich die teuren Eintritte nicht leisten kann, muss auf die wenigen öffentlichen Strandabschnitte ausweichen. Viele Italiener verzichten nun auch auf die früher üblichen Saisonabonnements und kommen nur noch tageweise.

Grundsätzlich in Frage gestellt werden die Bäder nicht. Sie sind quasi sakrosankt. Schließlich kennt man sich oft seit Jahrzehnten, erhält oft Sondertarife, während die Gäste aus Germania den Normalpreis zahlen. Oft geht es nebenbei um Geschäftliches. Freundschaften und Ehen sind hier entstanden, genauso wie kleine Affären und viele schöne Tage oder Abende wurden hier verlebt.

Obwohl die EU-Kommission Italien seit 2006 immer wieder auffordert, die Bolkestein-Richtlinie um­zusetzen und die oft auf undurchsichtige Weise vergebenen Konzessionen neu auszuschreiben, hat sich da bisher wenig bis nichts getan. Mehrere Regierungen haben die Konzessionen immer wieder verlängert und die Neuausschreibung verzögert. Auch Mario Draghi ist da keine Ausnahme. Vermutlich 2024 soll neu ausgeschrieben werden. Doch dann wird Draghi längst weg sein. Eine neue Regierung wird wohl im gleichen Stil weitermachen. Und die EU schaut weg.

Die Betreiber regieren über ihre Strandabschnitte wie Fürsten und scheuchen jeden Unbefugten weg, der nur eine Fußspitze in ihr Revier setzt. Eine solche Lizenz ist Gold wert. Maximal 15000 Euro Konzessionsgebühren sind pro Jahr fällig, oft sind es aber nur wenige 100 Euro. Geradezu lächerlich angesichts der Einnahmen. Viele Betreiber sind hier seit Jahrzehnten, habe ihre Strukturen, oft ohne Genehmigung, erweitert. Eine Legalisierung erfolgte dann meist im Laufe irgendeiner Amnestie. Oft haben sie schon an die Kinder übergeben. Der Staat nimmt insgesamt nur 100 Mill. Euro aus den Konzessionen ein.

Die größte Sorge der Betreiber ist derzeit nicht ein möglicher Konzessionsentzug, sondern der Personalmangel. Viele der oft schlecht bezahlten Bademeister, die etwa für die Sicherheit, die Vergabe der Plätze, das Auf- und Abstellen der Liegestühle und das Wohlergehen der Gäste verantwortlich sind – wozu für viele das Flirten mit Touristinnen gehört – sind in andere Branchen abgewandert. Oder sie haben einfach keine Lust mehr und kassieren lieber das Bürgergeld und verdienen sich schwarz etwas dazu. Das ist leichter und finanziell mindestens genauso attraktiv.

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