Subventionsverlierer Deutschland
Chipindustrie
Subventionsverlierer Deutschland
Der IWF warnt vor einem Subventionskrieg in der Chipindustrie. Deutschland käme dieser besonders teuer.
Von Sebastian Schmid
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt in einer Studie vor einem Subventionskrieg in der Chipindustrie. Im Buhlen um neue Werke zur Halbleiterproduktion komme es zu einer Reihe von Fehlanreizen und unerwünschten Nebeneffekten. So sorgen die zusätzlichen Milliarden für die Branche etwa dafür, den Fachkräftemangel in anderen Branchen zu verschlimmern. Hinzu komme, dass die Gefahr von Überkapazitäten zunehme. Jenseits der grundsätzlichen Gefahren sollte sich die Bundesregierung vor allem Gedanken darüber machen, welche Schlüsse sich über den hiesigen Standort auf Basis des Standortwetteiferns ziehen lassen.
Denn der unmittelbare Befund fällt dramatisch aus, wenn etwa Subventionen in den USA und in Deutschland gegenübergestellt werden. So erhält TSMC in den USA rund 6,6 Mrd. Dollar und vergünstigte Staatskredite von bis zu 5 Mrd. Dollar. Dafür werden insgesamt 65 Mrd. Dollar in drei hochmoderne Werke investiert. Damit TSMC in Dresden investiert, mussten zwar „nur“ 5 Mrd. Euro aufgewendet werden. Aber die Investitionssumme beträgt insgesamt gerade mal gut 10 Mrd. Euro und es handelt sich lediglich um ein einzelnes Werk. Intel erhält in den USA 8,5 Mrd. Dollar an Staatsgeld sowie bis zu 11 Mrd. Dollar an Krediten, investiert aber auch insgesamt rund 100 Mrd. Dollar. Hierzulande mussten 10 Mrd. Euro aufgeboten werden, damit Intel mit rund 30 Mrd. Euro in Magdeburg an den Start geht.
Die Aussage des schnellen Vergleichs ist offensichtlich: Der Standort Deutschland ist in der Brautschau durchgefallen und kann die Investoren in der Chipindustrie nur mit einer deutlich höheren Mitgift von den eigenen Vorzügen überzeugen. Im Hintertreffen ist Deutschland hier nicht nur im Vergleich mit den Vereinigten Staaten, sondern auch im Vergleich zu anderen Ländern. Denn wenn man in die Detailplanung für die Werke in Deutschland blickt, erscheint die Subventionspolitik teils noch fragwürdiger. So wird das Werk von TSMC Halbleiter mit Strukturen im zweistelligen Nanometerbereich fertigen. Im Prinzip wird hier also veraltete Technologie extrem hoch subventioniert. Chips mit Strukturen von weniger als fünf Nanometern sind längst üblich. 2-Nanometer-Chips sind derzeit State of the Art. In Japan werden gerade ebenfalls Chipproduzenten mit Milliarden subventioniert, damit das in zweistelligen Nanometerstrukturen zur Weltspitze zählende Land endlich auch bei State-of-the-Art-Halbleitern mitspielen kann. Deutschland investiert also Milliarden, um dorthin zu kommen, wo Japan sich derzeit nicht mehr wohlfühlt.
Immerhin fällt die Beurteilung im Fall von Intel positiver aus. Der US-Konzern will in Magdeburg Chips mit 1,5-Nanometer-Technologie bauen. Das ist wirkliche Hochtechnologie und kann damit zumindest eine höhere Investition rechtfertigen. Bei TSMC ging es der Regierung wohl primär um Versorgungssicherheit, nachdem ein Halbleiterengpass etwa die Automobilindustrie temporär ausgebremst hat. Eine durch und durch rückwärtsgewandte Entscheidung. Denn es wird nicht nur zu viel Geld bereitgestellt für eine veraltete Technologie. Bis die Produktion in Dresden voraussichtlich 2027 anläuft, besteht angesichts der zahlreichen Halbleiterfabriken, die gerade hochgezogen werden, wahrscheinlich eher ein Überangebot als ein Mangel. Womöglich wurde also nicht nur zu viel, sondern auch an der falschen Stelle investiert.
Die eigentliche Frage lautet aber nicht, wie sichergestellt werden kann, dass Subventionen zielgenauer vergeben werden. Vielmehr muss sich Berlin fragen, was den Standort aktuell so unglaublich unattraktiv macht, dass es so teuer geworden ist, Investoren ins Land zu locken. Letztlich kostet diese Standortschwäche nicht nur Wachstum, sondern auch die Steuerzahler etliche Milliarden Euro. Bildung, Bürokratie, Infrastrukturmängel, ein immer schlechter finanzierbarer Sozialstaat und eine hohe Regulierungsdichte bilden den Ballast, mit dem Deutschland ins Subventionsrennen geht. Und einen Wettlauf gewinnt selten der mit dem schwersten Rucksack. Deutschland ist bereits einer der Verlierer, obwohl das Rennen gerade erst gestartet wurde.