Paris

Tour de France mit dem Zug

Der französische Tourismus kommt wieder auf die Beine – und schon bringen sich Wettbewerber der Eisenbahngesellschaft SNCF in Stellung, um die Besucher ans Ziel zu bringen.

Tour de France mit dem Zug

Grauer Himmel und immer wieder Schauer zwischendurch. „Das ist ja wie im Winter“, entfuhr es deutschen Touristen spontan, als sie vor wenigen Tagen aus Berlin in Paris eintrafen. Verwundert stellten sie fest, dass für den Besuch der Terrasse eines Cafés oder Restaurants abends eine leichte Daunenjacke durchaus angebracht ist. Angesichts des trüben Wetters nutzten zahlreiche Einwohner der französischen Hauptstadt jetzt das erste Ferienwochenende, um in den Süden zu flüchten. „Complèt, complèt, complèt“, stand denn auch neben zahlreichen Zugverbindungen in der Suchmaske der Eisenbahngesellschaft SNCF.

Mehr als eine Million Fahrgäste hätten rund 1500 Züge des Bahnbetreibers am Wochenende genutzt, erklärte der für Transport zuständige beigeordnete Minister Jean-Baptiste Djebbari. Damit habe das Fahrgastaufkommen quasi das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht. Eigentlich hatten Gewerkschaften ab Donnerstag zu Streiks bei dem Billig-Hochgeschwindigkeitszug Ouigo aufgerufen, doch nachdem die SNCF den Kontrolleuren eine zusätzliche Prämie versprach, ließen sie die Drohung wieder fallen.

Dass die SNCF so viele Fahrgäste befördern konnte, liegt auch an der optimalen Platznutzung an Bord ihrer Züge. Delta hin oder her, der Bahnbetreiber lässt keine Plätze frei. Per Lautsprecher wird zwar immer wieder auf die Maskenpflicht und drohende Strafen bei Zuwiderhandlung hingewiesen, doch in der Praxis wird zumindest an Bord der Intercity-Züge so gut wie nicht kontrolliert. Entsprechend tief hängen die Masken gerade bei vielen Reisenden. Gesundheitsminister Olivier Véran meldete sich deshalb verzweifelt per Twitter zu Wort und warnte vor einer vierten Welle, die Frankreich vielleicht schon Ende des Monats erfassen könnte – inmitten der traditionellen Sommerferien.

Laut Daten der Unternehmensberatung Protourisme wollen diesen Sommer 35 Millionen Franzosen verreisen. 85% davon wollen in Frankreich bleiben, deutlich mehr als vor der Pandemie. Bis 2020 lag der Anteil der Franzosen, die ihren Sommerurlaub im Ausland verbrachten, bei rund 25%. Wie immer sind es die Küsten der Bretagne, am Atlantik und an der Côte d’Azur, die bei französischen Urlaubsgästen besonders hoch im Kurs stehen. Seit Corona erfreuen sich jedoch auch die Berge und ländliche Gegenden im Landesinneren einer steigenden Beliebtheit. Bei den Unterkünften sind vor allem Villen mit Swimmingpool und Landhäuser gefragt. Dagegen sind Paris und andere städtische Destinationen bei Touristen – egal ob aus dem In- oder Ausland – weniger beliebt als vor der Krise.

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Frankreich als Reiseland interessiert nicht nur ausländische Zugbetreiber wie Trenitalia aus Italien und Renfe aus Spanien. Inzwischen bringen sich auch immer mehr französische Akteure für die im Vergleich zu Deutschland späte Liberalisierung des Schienenverkehrs in Stellung. In den letzten Tagen sind gleich drei neue Projekte bekanntgeworden, die alle von der SNCF fallengelassene Verbindungen wiederbeleben wollen. So will die von der Unternehmensberaterin Alexandra Debaisieux und ihrem Bruder Nicolas lancierte Kooperative Railcoop ab Juni 2022 wieder die 2014 eingestellte Querverbindung zwischen Bordeaux und Lyon zu Tarifen um die 40 Euro anbieten. In Frankreich führen derzeit meist alle Wege über Paris. Railcoop verfügt bereits über die für den Erwerb der Zugbetreiberlizenz notwendigen 2,5 Mill. Euro, benötigt jedoch weitere 10 Mill. Euro, um Züge kaufen zu können.

Le Train wiederum will ab Ende 2022 auf neuen TGV-Strecken zwischen Arcachon, Angoulême, Nantes und Rennes in Westfrankreich an den Start gehen. Der Finanzierungsbedarf beträgt rund 100 Mill. Euro, da die Hochgeschwindigkeitszüge und die für die Nutzung der TGV-Schienen anfallenden Gebühren relativ teuer sind. Das von Kiss-Kiss-Bank-Bank-Mitgründer Adrien Aumont lancierte Projekt Midnight Trains plant bis 2024 Nachtzugverbindungen zwischen Paris und anderen europäischen Hauptstädten. Midnight Trains hat bereits Gelder von Investoren wie Xavier Niel (Iliad) und einem Erben von Château Pétrus eingesammelt.