Warten auf den ganz großen Deal
Warten auf den ganz großen Deal
Londons Investmentbanker sind bester Laune, wenn es um das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen geht
Von Andreas Hippin, London
Die Lebensgeister sind an den Markt zurückgekehrt, nachdem das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen (M&A) im vergangenen Jahr über alle Regionen hinweg in Schwung gekommen ist. Zu den Faktoren, die es befeuern dürften, gehört die unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump erwartete Deregulierung. Zudem dürften Private-Equity-Gesellschaften versuchen, Portfolio-Firmen zu veräußern und bei Anlegern eingesammeltes Kapital zum Einsatz zu bringen.
Die einst von John Maynard Keynes beschworenen „animal spirits“ lassen Londoner Investmentbanker auf den ganz großen Deal hoffen. Nur zu gerne wäre man als Berater dabei, wenn es zu einer Offerte kommt, deren Größenordnung dem Angebot von BHP für Anglo American entspricht.
Steigender Risikoappetit
Und wer weiß? Angeblich hat sich BHP-Chef Mike Henry noch nicht damit abgefunden, dass ihn sein Gegenüber Duncan Wanblad im vergangenen Jahr abblitzen ließ. Der Rivale Rio Tinto sondierte eine Fusion mit Glencore.
„Zuversicht und Risikoappetit steigen in den europäischen Boardrooms“, sagt Cassander Verwey, Co-Head EMEA M&A bei J.P. Morgan. „Das führt zu im Vorjahresvergleich größeren strategischen Transaktionen.“
Sinkende Zinsen
Finanzinvestoren stünden unter Druck, ihren Geldgebern Ausschüttungen zu liefern. Sie säßen auf reichlich „trockenem Pulver“, sagte Verwey, die Zinsen gingen zurück und die Monetarisierung von Assets sei im historischen Vergleich niedrig. Das dürfte aus seiner Sicht für ein lebhaftes M&A-Geschäft seitens der Private-Equity-Gesellschaften sorgen.
Im vergangenen Jahr ist das britische M&A-Volumen J.P. Morgan zufolge um fast die Hälfte (47%) gestiegen. In der Regel macht es ein Drittel bis zwei Fünftel des Gesamtvolumens in der Region aus.
Bessere Finanzierungsmöglichkeiten
Die Zahl der mehr als 1 Mrd. Pfund schweren Deals nahm im Vereinigten Königreich um 73% auf 52 zu. Das Volumen der Deals von Finanzinvestoren legte dank der verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten um 70% zu. An rund einem Drittel seien Käufer aus dem Ausland beteiligt gewesen.
Ausländische Käufer machten sich die niedrigen Bewertungen an der Londoner Börse zunutze. Die Aktivitäten solcher Erwerber stiegen der US-Investmentbank zufolge um das 1,7-Fache. Der starke Dollar tat ein Übriges. Nordamerikanische Käufer brachten 46 Mrd. Dollar zum Einsatz.
Wachstumsfreundliche Aufsicht
Zu den Faktoren, die im laufenden Jahr für mehr M&A-Geschäft in London sorgen dürften, gehören die sich verbessernden Finanzierungskonditionen. Die Bank of England dürfte die Finanzierungsbedingungen weiter lockern, während sich die Inflation stabilisiert.
Wunsch nach Größe
Eine wachstumsfreundlichere Herangehensweise der Aufsicht könnte Wunder wirken, insbesondere wenn Fragen der nationalen Sicherheit keine Rolle spielen. Schatzkanzlerin Rachel Reeves bestellte zu Jahresbeginn die Chefs diverser Regulierer ein, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie sie Wettbewerb und Wachstum fördern können. Marcus Bokkerink, der Chair der Wettbewerbsbehörde CMA, trat zurück. Dwayne Lysaght, ebenfalls Co-Head EMEA M&A bei J.P. Morgan, zählt neben Konsolidierungsbemühungen und dem Wunsch nach Größe in diversen Industrien auch die Anstrengungen für die Energiewende zu den Motiven für Übernahmen und Fusionen.
Vergleichsweise bullish
„Unser Ausblick für 2025 ist vergleichsweise bullish“, sagt Richard King, Head of EMEA Corporate Banking bei Bank of America. „Es gibt eine Menge aufgestaute Nachfrage nach M&A. Wir sehen bereits Anzeichen für eine stärkere Aktivität.“
„Der Ausblick für Großbritannien ist marginal besser als für Europa“, sagt King. Der Ausblick für den alten Kontinent fühle sich „wesentlich ungewisser“ an. „Wir erwarten keine Rezession, aber auf kurze Sicht nur niedriges Wachstum.“
Attraktiver US-Markt
„In Kontinentaleuropa gibt es mehr geopolitische Instabilität, als wir seit langer Zeit erlebt haben“, sagt Alisdair Gayne, Co-Head of EMEA und Head of UK Investment Banking beim Bankhaus Barclays. „Unternehmen stecken mehr Geld in die Vereinigten Staaten. Es kann schwierig sein, in Europa Wachstumsmöglichkeiten zu finden. Der US-Markt ist die offenkundige Alternative mit einem besseren Wachstumsausblick.“
Andere sind weit weniger zurückhaltend, wenn es um die Probleme Europas geht. „Deutschland und Frankreich erleben gerade ihren eigenen Liz-Truss-Moment“, sagt ein Investmentbanker, der namentlich nicht genannt werden will. Es ist ein Vergleich des jüngsten Kursrutschs französischer Staatsanleihen mit der Krise, die den britischen Anleihenmarkt erschütterte, nachdem die glücklose Vorgängerin von Rishi Sunak einen nicht gegenfinanzierten Wachstumshaushalt vorgelegt hatte.
„Leuchtfeuer der Stabilität“
„Ich mache immer den Scherz, dass Großbritannien jetzt ein Leuchtfeuer der Stabilität ist“, fügt er hinzu. Europa habe enorme Probleme, sagt ein anderer.
Man müsse davon ausgehen, dass das grenzüberschreitende M&A-Volumen vor allem in eine Richtung gehen werde: aus Europa in die Vereinigten Staaten. Trump werde eine Wachstumsagenda verfolgen. Nun müsse man sehen, wie weit er die Finanzbranche deregulieren werde.
Alternative Börsengang
Für Finanzinvestoren gibt es neben dem Verkauf auch noch einen anderen Exit: ein Initial Public Offering (IPO). „Wir glauben, dass der IPO-Markt dieses Jahr Fahrt aufnehmen wird“, sagt Gayne. „Finanzinvestoren werden darauf aus sein, Kapital zu recyclen.“
BC Partners und Pollen Street Capital denken an ein Listing ihrer Mittelstandsbank Shawbrook. Softbank könnte Zopa an den Markt bringen. Das brasilianische Fintech Nu Holdings überlegt, seinen Sitz nach London zu verlegen, um dort an die Börse zu gehen. Und Santander könnte Ebury aufs Parkett bringen.