Im BlickfeldInnenverhältnis einer Bankengruppe

Unicredit nimmt HypoVereinsbank immer stärker an die kurze Leine

Die Verlagerung der bisher bei der HypoVereinsbank angesiedelten Handelsaktivitäten zur Muttergesellschaft Unicredit nach Mailand ist eine Zäsur 19 Jahre nach der Übernahme des Münchner Geldhauses durch die italienische Großbank. Die Maßnahme reiht sich ein in eine Serie von Zentralisierungsschritten von CEO Andrea Orcel.

Unicredit nimmt HypoVereinsbank immer stärker an die kurze Leine

Unicredit hält HVB stärker an der kurzen Leine

Konzernchef Andrea Orcel treibt die Zentralisierung von Aktivitäten auf die Spitze. Der Erfolg dieser Methode gibt ihm bislang recht.

Von Gerhard Bläske, Mailand, und Stefan Kroneck, München

Die HypoVereinsbank (HVB) übt sich in dezenter Kommunikation nach außen: Wenig Worte für weitere Neuerungen unter der Regie des Mutterkonzerns Unicredit. So geschehen bei Veröffentlichung des Halbjahresberichts auf der Internetseite der drittgrößten deutschen Geschäftsbank mit Sitz in München. Auf Seite 23 ist dort zu lesen: „Die Unicredit-Gruppe strebt eine vereinfachte Struktur ihrer Handelsaktivitäten an. Im ersten Halbjahr waren die Handelsaktivitäten der Unicredit-Gruppe noch bei der HVB gebündelt. Beginnend ab dem zweiten Halbjahr 2024 werden diese schrittweise an die Unicredit S.p.A. übertragen.“ Danach führt die HVB auf, welche Vorteile sich daraus für den Bankkonzern ergäben, darunter eine höhere Profitabilität bei zugleich reduzierten Risiken. Ende der Durchsage.

Erneuter Einschnitt

Unicredit begründet den Schritt auf Anfrage damit, dass die „Handelsaktivitäten und Infrastruktur unter dem Dach der UniCredit S.p.A harmonisiert“ werden sollten. „Unser Ziel ist es, unsere Struktur zu vereinfachen, unser Angebot für die Kunden zu verbessern und die Volatilität der Erträge zu verringern. Diese Änderungen sind der nächste Schritt auf dem Weg, unsere Bank näher zusammenzubringen, um als eine Einheit zu agieren, und gleichzeitig die lokalen Unternehmen vor Ort weiter zu befähigen, ihre Kunden so gut zu bedienen, wie nur sie es können.“

Was für die italienische Großbank als normaler Vorgang 19 Jahre nach der Übernahme des einstigen weiß-blauen Dax-Mitglieds erscheint, ist für die HVB ein weiterer Einschnitt in ihrer Unternehmensgeschichte. Nach den gebündelten Investment-Banking- und Firmenkundenaktivitäten, einer Serie von Einsparungen (Personal- und Filialabbau), der Umfirmierung der Tochtergesellschaft von einer AG in eine GmbH Ende 2023 verlagert die lombardische Großbank die bisher bei der HVB angesiedelte Handelsplattform zur Konzernzentrale in die italienische Finanzmetropole. Im Detail handelt es sich um eine Plattform basierend auf einer Trading-Software des französischen Dienstleisters Murex SAS mit Sitz in Paris.

Handelsplattform birgt Risiken

Vom Konzern heißt es, dass die „relevanten Regulatoren“ die Umstellung, welche bis Ende 2025 abgeschlossen sein soll, „begleiten“. Diese Tradingsoftware ist nicht frei von Risiken. Nach Problemen mit dem neuen Murex-System hatte die Landesbank Helaba vor mehr als zwei Jahren erst in einem zweiten Anlauf die Freigabe der EZB für die neue Handelssoftware erhalten. Darüber berichtete seinerzeit die Börsen-Zeitung. Im Fall der HVB sollen von der Umstellung betroffenen Mitarbeitern andere Aufgaben innerhalb der Bank übertragen werden, wie es heißt. Der Zahl der Beschäftigten, die die Maßnahme tangiert, ist aus Sicht der HVB unklar. Nähere Angaben machte das Institut auf Nachfrage nicht.

Serie von Zentralisierungsschritten

Die Causa zeigt, dass die HVB nicht zur Ruhe kommt. Ein Abschluss von Umbauten im Rahmen einer vollständigen Integration unter das Unicredit-Gebilde ist nicht absehbar. Es ist de facto ein Dauerzustand. Darauf reagieren Personen unterschiedlich. Manche finden das gut, anderen wiederum ziehen daraus für sich Konsequenzen und verlassen die Bank. Im Juni ging der Investmentbanker Jan Kupfer nach über 30 Jahren Tätigkeit für die HVB bzw. ihren Vorgängerinstituten. Kupfer war zuletzt in der Geschäftsführung unter Leitung von Marion Höllinger für den Bereich Firmenkunden zuständig.

Die Entscheidung der HVB-Mutter, die Handelsplattformen in Mailand zu zentralisieren, reiht sich ein in eine ganze Serie von Maßnahmen, die die Stärkung der Zentrale zum Ziel haben. Damit erweitert Konzernchef Andrea Orcel, zugleich Chefaufseher der HVB, seine Durchgriffsmöglichkeiten immer mehr.

Permanente Unruhe

Auch am Firmensitz in Mailand herrscht Unruhe. Denn der massive Umbau der Holding, der dort im Gang ist, hat dazu geführt, dass rund 80% der 2.000 dort Beschäftigten neue Positionen übernommen und einige ihre bisherigen Privilegien verloren haben. Während ein Teil der Mitarbeiter in den Vorruhestand geht, wurden bzw. werden andere umgeschult, um „in den produktivsten Netzwerken eingesetzt zu werden“, sagte Orcel kürzlich in einem Interview.

Permanente Unruhe und Umbauten kennzeichnen Orcels Amtsführung praktisch seit seinem ersten Arbeitstag am 15. April 2021. Man könnte darin fast ein System sehen. Eine Vielzahl von Spitzenmanagern in der Zentrale, aber auch bei den Töchtern im Ausland ist ausgetauscht worden. Doppelfunktionen im Management fielen weg, die Zahl der Führungskräfte wurde reduziert, das oberste Führungsgremium wurde deutlich verkleinert.

Fokus auf Kosteneffizienz

Orcel trieb und treibt auch die Digitalisierung voran und schließt Filialen, aber weniger als andere. Das trifft auch die HVB. Das Dienstleistungsangebot der Online-Bank Buddybank (jetzt Buddy R-Evolution) wird ausgebaut und soll auf absehbare Zeit auch Kunden in Deutschland und Österreich zur Verfügung stehen. Orcel ist stolz darauf, seit 2021 die Kosten in jedem Quartal gesenkt und die Aufwandsquote auf zuletzt 36,3% reduziert zu haben. Es gab also Potenzial, die Bank effizienter zu machen. Schaut man aber, wie kompliziert etwa nach wie vor eine Kontoeröffnung in Italien ist, wird erkennbar, dass der CEO mit seiner Arbeit noch nicht am Ende ist oder auch Dinge übersehen hat.

Dass er da handelt, wo Handlungsbedarf ist, ist grundsätzlich gut so. Die Rekordgewinne und die regelmäßig angehobenen Prognosen demonstrieren den Erfolg Orcels. Auch die Aktionäre sind hochzufrieden: Sie erhalten allein in diesem Jahr Ausschüttungen von 10 Mrd. Euro – in diversen Formen. Und der Aktienkurs hat sich seit seinem Amtsantritt annähernd verfünffacht.

CEO baut Macht aus

Orcels Vertrag wurde erst vor wenigen Monaten um weitere drei Jahre verlängert. Seine Position scheint stärker als je zuvor. Der CEO hat die vergangenen Jahre dazu genutzt, seine Machtposition auch intern weiter auszubauen. Der von ihm eingesetzte Italien-Chef Niccolò Ubertalli musste nach kaum einem Jahr gehen. Orcel kontrolliert das Geschäft jetzt selbst. Und die deutsche HVB wurde zu einer bloßen GmbH degradiert. Marion Höllinger, Sprecherin der Geschäftsführung, ist weisungsgebunden und der CEO kann auch in München direkt durchregieren. Die Zentralisierung mag mit Orcel selbst an der Spitze gutgehen. Doch auch Orcel bleibt nicht ewig. Es bleibt abzuwarten, ob sein Nachfolger dereinst ebenso durchsetzungsstark wie Orcel selbst ist.