Urteile beleben Debatte um Fondskosten
Debatte um Fondskosten nimmt Fahrt auf
BGH-Entscheidung zieht Kreise und wird von Landgericht aufgegriffen.
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Die Diskussion um die Transparenz von Fondskosten hat durch aktuelle Urteile an Fahrt aufgenommen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Oktober 2023, das die Kostenpauschale eines DWS-Fonds als intransparent und damit unwirksam erklärte, hat einen Präzedenzfall geschaffen. Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) waren zum Teil gefordert, Klauseln zu überarbeiten, während die BaFin Kostenregelungen präzisiert hat.
Die jährlichen Kosten betragen nach Angaben von Morningstar bei Aktienfonds 1,71% und bei Rentenfonds 1,07% pro Jahr mit leicht rückläufiger Tendenz.
Klarstellung durch den BGH
Das BGH-Urteil (Az.: III ZR 216/22) stellte klar, dass Klauseln zu Kostenpauschalen, die unzureichend definieren, welche Kosten auf Anleger zukommen, intransparent und somit unwirksam sind. Das Urteil könnte ein Weckruf für die Branche werden. Jetzt hat das Landgericht Frankfurt diese Entscheidung in einem Teilurteil auf die Kostenregelung des „Concentra“ von Allianz Global Investors (AGI) angewendet. Auch hier war die Pauschalvergütung betroffen.
Im Detail geht es darum, ob es einen feststehenden Teilbetrag der Kostenpauschale gibt, der auf die Vertriebsvergütung entfällt. Es kommt also auf die klare Zuordnung und damit die Transparenz der Kostenpauschale an.
Die beanstandete Kostenklausel des Concentra sei in den wesentlichen Teilen „wortlautgleich“ zu der vom BGH beanstandeten Klausel, ist dem Urteil zu entnehmen. Rechtsanwalt Jens Graf, der das Verfahren maßgeblich vorantreibt, sieht darin einen Trend. Das neue Urteil zeige, dass die BGH-Entscheidung nicht nur auf den einen Fonds anzuwenden sei, sondern auch auf Fonds anderer Kapitalverwaltungsgesellschaften. Pauschale Kostenklauseln ließen oft unklar, wie Entnahmen berechnet werden, wenn etwa keine Börsentage vorliegen, oder in welchem Zeitraum die Vergütungen genau anfallen. Für Anleger sei dies zum Teil nicht nachvollziehbar.
Viele Einzelfälle
In der Branche heißt es, dass das Thema Kostenklauseln ein zentrales Diskussionsthema bleibe. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) habe sich bei der letzten Änderung der Kostenklauseln in diesem Jahr dazu geäußert. Sie habe Aspekte des BGH-Urteils zu diesem Thema aufgegriffen.
Ein Branchenvertreter betont, dass es beim Thema Transparenz in Kostenklauseln auf jedes Detail ankomme. Unternehmen müssten natürlich sicherstellen, dass ihre Klauseln den Sachverhalten entsprechen, die durch den BGH entschieden wurden. Dabei spiele auch der Zeitraum, in dem die Kostenklauseln überprüft oder angegriffen wurden, eine Rolle. Im Laufe der Zeit könnten sich diese Sachverhalte erheblich verändert haben. Wichtig sei zu betonen, dass Unternehmen in der Vergangenheit nicht bewusst Fehler gemacht haben, wenn es um mangelnde Transparenz in den Klauseln geht.
Die Branche sieht die Situation insgesamt aber offensichtlich eher gelassen. Extrem hohe Rückforderungen scheint man nicht so befürchten. Allerdings bleibt aus Sicht der Anbieter abzuwarten, wie sich künftige Rechtsstreitigkeiten entwickeln, was im Detail in den Urteilen steht und ob neue Entscheidungen ebenfalls den BGH erreichen.
BaFin reagiert auf Urteil
Die BaFin hat auf Anfrage klargestellt, dass ihre Prüfungen primär aufsichtsrechtlicher Natur sind. Und die Aufsicht stellt außerdem klar: „Bereits von der BaFin genehmigte Kostenklauseln in Anlagebedingungen unterliegen dem Bestandsschutz und sind allenfalls auf zivilrechtlichem Weg möglicherweise angreifbar“, erklärt die Aufsichtsbehörde.
Trotz dieses Bestandsschutzes für frühere Regelungen hat auch die Behörde auf die BGH-Entscheidung von 2023 reagiert: „Die BaFin ist auf die Kapitalverwaltungsgesellschaften wegen des BGH-Urteils zugegangen. Als Folge davon kann in der Branche beobachtet werden, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaften ihre Kostenklauseln aufgrund des BGH-Urteils überarbeiten beziehungsweise bereits überarbeitet haben.“
Ein wichtiges Instrument bei Fondskostenregeln sind die Musterbausteine der BaFin. Diese wurden zuletzt im Mai 2024 überarbeitet und berücksichtigen damit auch das BGH-Urteil. Die BaFin erklärt: „Neu von der BaFin zu genehmigende Kostenklauseln werden auf Basis der BaFin Musterbausteine Kosten geprüft, welche die Erwägungen des BGH-Urteils von Oktober 2023 beinhalten.“
Klauseln „branchenüblich“
Die Reaktionen der Branche auf diese Entwicklungen sind unterschiedlich. Einige Gesellschaften haben dem Vernehmen nach Anpassungen vorgenommen, andere verweisen auf die bisherige Praxis und die Genehmigung durch die BaFin. So wird darauf verwiesen, dass Klauseln auf früheren Musterbausteinen der BaFin beruhten und als „branchenüblich“ galten.
„Auch wenn wir das gegen die DWS ergangene BGH-Urteil vom 5. Oktober 2023 in der Sache für falsch halten, ist es wenig überraschend, dass ein Instanzgericht die Entscheidung des BGH aufgegriffen hat“, wird ein Sprecher von AGI im Fachmagazin „Fondsprofessionell“ zitiert. AGI weist außerdem darauf hin, dass die vom Kläger geltend gemachte Forderung dem Grunde nach durch das Urteil noch nicht entschieden sei.
Vorteile für die Anleger
Ungeachtet der Zurückhaltung in der Branche könnten die Urteile des BGH und nachfolgender Instanzgerichte finanzielle Vorteile für Anleger bringen. Rechtsanwalt Jens Graf, der mehrere Verfahren zu intransparenten, pauschalen Kostenregelungen führt, berichtet von Rückforderungen im vierstelligen Bereich pro Anleger. „Es geht nur noch um die Höhe der Rückzahlung und nicht mehr um die Frage, ob die Forderung gerechtfertigt ist“, ist sich Graf sicher.
Ein zentraler Punkt ist, wie Transparenz in den Kostenklauseln sichergestellt werden kann. Ein Branchenexperte erklärt, dass es beim Thema Transparenz in den Kostenklauseln auf jedes Wort ankomme. Da könne sich jedes Unternehmen die Karten legen, ob seine Klauseln nah an den Sachverhalten seien, die vom BGH entschieden worden sind.
Auch die BaFin betont die Bedeutung klarer Regelungen: „Die Musterbausteine nennen die Aufwendungen sowie die der Kapitalverwaltungsgesellschaft, Dritten und der Verwahrstelle zustehenden Vergütungen, die dem Investmentvermögen belastet werden können. Alle relevanten Tatbestände müssen vollständig erfasst und pauschale Öffnungsklauseln vermieden werden.“
Verbraucherschutz braucht Klarheit
Die Debatte um die Transparenz zeigt, wie wichtig klare Regelungen für den Verbraucherschutz sind. Für die Verbraucherzentralen sind solche Urteile wertvoll. Nun prüfe man, ob man für die Verbraucher angesichts des jüngsten Urteils ebenfalls tätig werden kann, heißt es auf Anfrage bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Verbraucherschützer machen sich schon seit Jahren für kostengünstige ETFs stark.
Die Kanzlei Graf hat unterdessen mitgeteilt, dass sie vor diesem Hintergrund eine weitere Verbraucherklage eingereicht habe. Dieses Mal geht es um eine fondsgebundene Lebensversicherung, die trotz der Kostenbelastung als Altersvorsorge empfohlen worden ist.