KommentarInflation und Einlagenwettbewerb

US-Großbanken müssen sich besser auf steigende Zinskosten vorbereiten

J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon gibt drastische Prognosen zur Zinsentwicklung in den USA ab. Seine Kollegen auf den Vorstandsetagen an der Wall Street tun gut daran, sich diese zu Herzen zu nehmen.

US-Großbanken müssen sich besser auf steigende Zinskosten vorbereiten

US-Großbanken

Verspäteter Zinsschock

Von Alex Wehnert

Jamie Dimons Inflationsprognosen mögen drastisch klingen, unrealistisch sind sie aber keineswegs.

Für seine vorsichtigen Konjunktur- und Inflationsausblicke wird Jamie Dimon an der Wall Street inzwischen fast schon etwas belächelt – der J.P.-Morgan-Chef tut aber gut daran, an seinen düsteren Prognosen festzuhalten und sein Geldhaus entsprechend zu positionieren. Denn während sich Dimons Kollegen auf den Vorstandsetagen an der Wall Street zuletzt durchaus von der bullishen Stimmung an den Börsen haben anstecken lassen, zeigen die ersten Zahlen aus der Berichtssaison zum Auftaktquartal 2024, wie die Realität für Amerikas führende Finanzinstitute aussieht.

Kunden streben nach Rendite

So steht bei den Aktionären zu Recht nicht die vorsichtige Erholung im Underwriting nach der vorangegangenen Primärmarktflaute im Fokus, sondern die Entwicklung von Nettozinserträgen und -margen. Denn dort erleben die größten US-Geldhäuser einen verspäteten Schock: Nachdem sie sich aufgrund ihrer starken Marktposition lange aus dem harten Depositenwettbewerb heraushalten konnten, in den die ohnehin angeschlagenen Regionalbanken schon längst verstrickt sind, verlangen nun auch ihre Kunden deutlich höhere Zinsen auf Einlagen oder verschieben ihre Mittel vom Girokonto in Produkte mit attraktiverer Rendite.

Jamie Dimon warnt vor US-Zinsanstiegen auf 8% und mehr. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon.

Dimons Prognose, dass die Zinsen in den USA auf über 8% schnellen könnten, mag drastisch klingen. Angesichts der kochenden geopolitischen Krisen und der noch zu erwartenden Auswirkungen auf den Ölpreis sowie der mangelnden fiskalischen Stabilität in Washington ist sie aber nicht unrealistisch. Insbesondere letzterer Punkt dürfte die Märkte auch über die US-Präsidentschaftswahlen im November hinaus beschäftigen. Denn rekordhohe schuldenfinanzierte Staatsausgaben treffen mit einer wachsenden politischen Spaltung und resultierenden Reformblockaden zusammen, die Fitch bereits im vergangenen Jahr zu einem Downgrade der US-Kreditwürdigkeit bewegt haben.

Stärkere Risikovorsorge nötig

Was anhaltend höhere Zinsen im Zusammenspiel mit der auf den Corporate-Bond-Markt zurollenden Refinanzierungswelle für Amerikas Finanzinstitute bedeuten, ist klar: höhere Rückstellungen für faule Kredite und damit Belastungen für die Nettogewinne. Die US-Branchenführer dürften davon zunächst zwar weniger hart betroffen sein als Regionalbanken mit einem starken Exposure gegenüber Gewerbeimmobilienkrediten. Doch für die noch zu erwartenden Zusammenbrüche kleiner Häuser werden die Wall-Street-Riesen über die Einlagensicherung in Mithaftung genommen. Bei jenen, die Dimons Ausblicke heute belächeln, dürften sich die Mundwinkel damit schnell nach unten drehen.

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