EU-Regulierung

Verwirrende Wege zu besseren Anleger­informationen

Übersichtliche Infos für alle Investmentprodukte zu erstellen, erscheint als Herkulesaufgabe. Auf mehreren Ebenen versucht Brüssel das Basisinformationsblatt für verpackte Priips-Produkte zu verbessern.

Verwirrende Wege zu besseren Anleger­informationen

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Im Aktionsplan für die Kapitalmarktunion hat die EU-Kommission ihre Absicht angekündigt, in der ersten Hälfte des laufenden Jahres eine neue Strategie für Privatanleger zu veröffentlichen. Somit wolle sie sicherstellen, dass die Investoren die Vorteile der Kapitalmärkte nutzen können. Privatanleger sollten unter anderem mehr von transparenten, vergleichbaren und verständlichen Produktinformationen profitieren.

Gute Anlegerinformationen für alle Investmentprodukte zu erstellen, scheint eine Herkulesaufgabe. Diesen Freitag wird in erneut über das Thema der EU-Anlegerinformationen gesprochen. Die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) veranstalten eine öffentliche Anhörung, um die Entwicklung ihres Entwurfs einer technischen Empfehlung an die Europäische Kommission zur Priips-Verordnung zu diskutieren. Die ESAs wiederum müssen der Kommission ihre Stellungnahme bis zum 30. April vorlegen.

Aber auch nach vielen Jahren gibt es gleich mehrere Baustellen, an denen die Regulatoren und die Lobbyisten derzeit arbeiten. Es geht um verpackte Investmentprodukte oder Packaged retail and insurance-based investment products (Priips) und die dazugehörigen Anlegerinformationen, das Key information document (Kid). Infoblätter oder auch Beipackzettel genannt sollen es dem Anleger leichter machen, zu vergleichen und zu verstehen.

Seit 2018 erhalten Anleger in der EU vor dem Kauf eines verpackten Anlageprodukts für Privatanleger und Versicherte wie kapitalbildende Lebensversicherungen und Zertifikate das normierte Basisinformationsblatt mit den wichtigsten Merkmalen, wie Kosten und Risiken einer Anlage. Die im Detail sowie im Großen und Ganzen zu verbessern und mit den noch abweichenden Informationen für Fonds zu harmonisieren, sind die Aufgaben in diesem Jahr.

Neue Standards

Punkt eins: Mit den gerade verabschiedeten technischen Regulierungsstandards (RTS)  werden Einzelpunkte in den existierenden Kids präzisiert. „Die Änderungen an den Priips-RTS bringen viele Neuerungen mit sich, wie zum Beispiel eine neue Methodik für Performance-Szenarien“, sagt Ayal Leibowitz vom Beratungsunternehmen LPA. Das Ganze ist kompliziert, denn eine vergleichende Darstellung von Kosten und Performance für Produkte wie Zertifikate bis hin zu Rentenversicherungen ist keineswegs trivial.

Diese neuen technischen Standards sollten nun eigentlich zum 1. Juli in Kraft treten, doch jetzt hat sich Brüssel laut der europäischen Aufsicht ESMA doch noch zu einer Verschiebung bis zum 1. Januar 2023 durchringen können. „Eine einheitliche Umstellung erleichtert die Planungssicherheit der Anbieter für notwendige Umstellungen und vermeidet Irritationen bei Anlegerinnen und Anlegern“, sagt Henning Bergmann vom Deutschen Derivate Verband. Das verschafft der Branche ein wenig Atempause und deutet doch auf die nächste Baustelle hin.

Zum 1. Januar 2023 müssen auch die bislang von den Priips-Kids-Vorgaben ausgenommenen Publikumsfonds ebenfalls auf das Format umschwenken. Dabei geht es europaweit um zigtausende Produkte. Immerhin sind die beiden Umstellungstermine jetzt harmonisiert, was für zusätzliche Erleichterung in der Branche sorgte. In der Sache wird es deshalb nicht einfacher, denn die Fonds haben bislang auf zwei Seiten unter dem Namen Wesentliche Anlegerinformationen (WAI) die Pflichtinfos zusammengefasst, während das anders aufgebaute Kid drei Seiten lang ist. Auch wenn noch elf Monate Zeit sind, sagt LPA-Berater Leibowitz: „Obwohl dies den Vermögensverwaltern etwas mehr Zeit für den Übergang gibt, müssen sie ihr Datenmanagement und ihre aufsichtsrechtliche Berichterstattung frühzeitig im Einklang mit den künftigen RTS organisieren.“

Streitpunkt Wertentwicklung

Einer der größten Streitpunkte bei den Anlegerinformationen ist die Darstellung der Wertentwicklung. Für Fonds wird bislang die Performance für mehre Zeiträume der Vergangenheit dargestellt, was verständlich ist, aber keine Prognosen für die Zukunft ermöglicht.

Bei Priips-Kids wie für Versicherungen und Zertifikate gelten andere Regeln. Dort finden sich mehrere Performance-Szenarien für die künftige Entwicklung, die unter jeweils einer negativen, neutralen und positiven Annahme errechnet werden müssen. „Nach vielen Debatten mit verschiedenen möglichen Ansätzen müssen wir zu dem Schluss kommen, dass Performance-Szenarien nicht der richtige Weg sind, um Anleger gut zu informieren“, schreibt der deutsche Fondsverband BVI in einer Stellungnahme.

Bezüglich der Entscheidung zwischen Szenarien und Performancezahlen ist eine schnelle Lösung nicht in Sicht. In den Regulierungsstandards beschäftigt man sich mit Einzelfragen. Wichtige Punkte sind direkt in der Verordnung geregelt. Wie gerufen kommt da, dass in diesem Jahr eine grundsätzliche Überprüfung der Priips-Verordnung ansteht. Aus Sicht des BVI sollte sich diese Review auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, die einer verständlichen Anlegerinformation noch immer im Wege stünden. „Dazu gehören die Zulassung der Darstellung der vergangenen Wertentwicklung für Fonds sowie die umfassende Angleichung der produktbezogenen Kosteninformationen an die Finanzmarktrichtlinie Mifid II und die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD.“

Zu hoffen bleibt, dass nach den Wirrungen der Priips-Kid-Neuregulierung für den Anleger mehr Klarheit herauskommt. Die Überflutung mit Informationen ist unübersehbar. Neben Basisinformationsblatt nach Priips-Verordnung halten etwa Zertifikateemittenten ein Basisprospekt, endgültige Bedingungen und ein Termsheet bereit. Bei Fonds kommen neben dem WAI oft Fondsfakten, Produktsteckbrief und Product News dazu. Da bleiben Zweifel, ob ein zusätzliches Informationsblatt der EU auch wirklich stets angeklickt wird.