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VW beerdigt den Cariad-Traum von Herbert Diess

Die Steuergerätearchitektur ist der Kern des softwaredefinierten Autos. Dass VW hier nicht mehr auf eigenes Know-how setzt, sondern auf Rivian, gleicht einer Kapitulation. Und dennoch bietet der Deal Chancen für Wolfsburg.

VW beerdigt den Cariad-Traum von Herbert Diess

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VW beerdigt Cariad-Traum

Von Sebastian Schmid

Die Steuergerätearchitektur ist der Kern des softwaredefinierten Autos. Dass VW hier nicht mehr auf eigenes Know-how setzt, gleicht einer Kapitulation.

Herbert Diess wurde die von Pleiten, Pech und Pannen verfolgte Softwareeinheit Cariad an der Konzernspitze von Volkswagen zum Verhängnis. Nun beerdigt Nachfolger Oliver Blume den schon immer unrealistischen Traum, dass Software „made in Wolfsburg“ jemals im globalen Konzert der Tech-Virtuosen würde mitspielen können. Zwar gründen Volkswagen und Rivian ein Joint Venture, um Software-Defined-Vehicle-Architekturen (SDV) der nächsten Generation zu entwickeln. Die Rollenverteilung ist dabei aber klar. VW hat das Geld, das Rivian fehlt. Das US-Start-up hat das Software-Know-how, das Cariad in den fünf Jahren seit der Gründung nicht aufzubauen vermochte.

Wie stellt sich der Deal dar? Die Volkswagen Group investiert zunächst 1 Mrd. Dollar in Rivian und plant im Laufe der nächsten beiden Jahre je nach Erfolg der Zusammenarbeit weitere Investitionen in Höhe von bis zu 4 Mrd. Dollar. Technisch baut das Joint Venture derweil auf der „branchenführenden Software- und Elektroarchitektur von Rivian“ auf, wie mitgeteilt wird. Von der zweiten Hälfte des Jahrzehnts an plant VW zudem, die bestehende zonale Steuergerätearchitektur und das Softwarepaket von Rivian zu nutzen.

Wie geht es mit Cariad weiter?

Die Beschäftigungsgarantie bei der Software-Tochter Cariad gilt zwar bis Mitte 2025. Doch wie es danach mit Cariad weitergeht, steht in den Sternen. In den Bereichen autonomes Fahren, Infotainment und Konnektivität werden die Truppen von Cariad-Chef Peter Bosch vorerst weiterwerkeln. Dass aber ausgerechnet bei der Steuergerätearchitektur nicht mehr auf internes Know-how vertraut wird, kommt einer Kapitulation gleich. Mindestens in diesem Bereich dürften sich die Mitarbeiter fragen, wie es für sie künftig weitergehen kann. Auch in anderen Softwarebereichen ist eine Ausweitung der Kooperation denkbar. Im Infotainment haben Rivalen längst externes Know-how herangezogen.

Doch die Zusammenarbeit bietet auch Wolfsburg neue Chancen. Zwar ist noch keine Zusammenarbeit in Bereichen wie Einkauf, Antriebs- oder Batterietechnologie angedacht. Wenn aber die erste Kooperation gut laufen sollte, wäre es geradezu fahrlässig, sich über andere Bereiche, in denen Skalierung eine große Rolle spielt, keine Gedanken zu machen. Und Rivian dürfte diesbezüglich offen sein. Schließlich hat das US-Unternehmen zuletzt pro Jahr mehr Verlust eingefahren, als Volkswagen nun über drei Jahre investieren will.