Warnschuss vom Bondmarkt
Steigende Gilt-Renditen
Warnschuss vom Bondmarkt
Von Andreas Hippin
Labour hat bei Investoren Glaubwürdigkeit verloren. Höhere Kupons für Staatsanleihen sind der Preis dafür.
Die britische Politik ist in hohem Maße polarisiert. Da ist die Versuchung groß, den rasanten Renditeanstieg der heimischen Staatsanleihen (Gilts) der im Juli gewählten Labour-Regierung in die Schuhe zu schieben. Doch bei näherer Betrachtung ist nicht zu verleugnen, dass Anleger nicht nur für Gilts höhere Kupons fordern, sondern auch für Schuldentitel anderer Industrienationen.
Viele Faktoren, die dafür sorgen, dass die Renditen von Titeln mit 30-jähriger Laufzeit so hoch sind wie seit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht mehr, entziehen sich der Kontrolle von Schatzkanzlerin Rachel Reeves. Deshalb lässt sich das Geschehen am Bondmarkt nicht mit dem Mini-Crash im Herbst 2022 vergleichen, der vom nicht gegenfinanzierten Wachstumshaushalt ihres Vorgängers Kwasi Kwarteng ausgelöst wurde. Auch eine Wiederholung der Sterling-Krise von 1976 steht so schnell nicht an.
Alternativer Ansatz
Man kann Labour auch schlecht vorwerfen, für mehr Umverteilung von oben nach unten zu sorgen. Denn das gehört zum Markenkern der ehemaligen Arbeiterpartei, höhere staatliche Investitionen ebenso. Über die Frage, ob sich durch mehr Geld in den Taschen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und den Bau von Infrastrukturprojekten mehr Wachstum erzielen lässt als durch den mitunter naiven Marktglauben der Tories, lässt sich trefflich streiten.
Allerdings hat Labour durch die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber für Verunsicherung gesorgt. Hatte man vor der Wahl im Juli noch versprochen, sie nicht anzutasten, vollzog Reeves im Oktober eine Kehrwende. Nun sieht es so aus, als müsste sie weitere Steuererhöhungen vornehmen. Auch das wirkt nicht eben professionell, nachdem sie das nach Verkündung ihres Haushalts vehement ausgeschlossen hatte.
Glaubwürdigkeitsverlust
Der Renditeanstieg ist lediglich ein Warnschuss vom Bondmarkt. Doch die Schatzkanzlerin hat am Finanzmarkt an Glaubwürdigkeit verloren. Mehr Professionalität wäre dringend angesagt. Dazu gehört ein klar kommuniziertes Konzept, wie sie sich wieder finanziellen Spielraum verschaffen will. Denn nichts hassen Investoren mehr als anhaltende Ungewissheit.
Was man an den Märkten zu vergessen scheint, ist die stabile Mehrheit, über die Labour im Unterhaus verfügt. Damit lassen sich sowohl Steuererhöhungen als auch Ausgabenkürzungen problemlos durchsetzen. Davon können andere europäische Länder, in denen die Inflation ebenfalls wieder anzieht, nur träumen.