Im BlickfeldAktienmärkte

Zum Jubiläum der Dotcom-Blase droht die Wiederkehr

Am 10. März 2000 begann die Dotcom-Blase zu platzen, und es kam zu einem gewaltigen Einbruch über Jahre. Das Platzen der Blase kam aus dem Nichts, doch die Überbewertung von Tech-Aktien war gewaltig. Heute sind auch die Mag7 hoch bewertet.

Zum Jubiläum der Dotcom-Blase droht die Wiederkehr

Höhenflug der Tech-Werte weckt böse Erinnerungen

Am 10. März 2000 begann die Dotcom-Blase zu platzen, und es kam zu einem gewaltigen Einbruch über Jahre. Der Knall kam scheinbar aus dem Nichts, doch die Überbewertung von Tech-Aktien war gewaltig. Auch heute verursachen die Mag7 einiges Unbehagen.

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Am deutschen Aktienmarkt läuft seit Monaten eine Hausse, die ihresgleichen sucht. Getrieben von festen US-Börsen und der Hoffnung auf eine durchgreifende wirtschaftliche Erholung nach dem Regierungswechsel in Deutschland ist vor allem der Dax im Eiltempo vorangeschritten und selbst Nebenwerte fassen allmählich Tritt. Der deutsche Leitindex hat am Montag erstmals die Marke von 23.000 Punkten überschritten. Zuvor war er allerdings bereits etwas ins Stolpern gekommen, was wohl daran lag, dass einige Anleger in der Höhenluft doch Schnappatmung bekamen. Den einen oder anderen mag die ungute Erinnerung an einen historischen Kurseinbruch Anfang März vor 25 Jahren beschlichen haben: Die Dotcom-Blase, für viele die Blase aller Blasen, begann zu platzen. Dabei wurde am 10. März 2000 der Höhepunkt der Euphorie an den Aktienmärkten erreicht. Ab diesem Zeitpunkt ging es für die nächsten zweieinhalb Jahre bis drei Jahre für die Dotcom- und Tech-Aktien massiv bergab.

Der Meltdown war gewaltig und kam für die Kinder der Hausse in dieser Dimension völlig überraschend. Der US-Tech-Index Nasdaq fiel von 4.700 Punkten auf unter 1.000 Zähler im Spätsommer 2002 zurück, die T-Aktie, die von einem Ausgabepreis von 14,57 Euro im November 1996 bis auf einen Kurs von mehr als 100 Euro Anfang März 2000 gestiegen war, brach im Oktober 2002 auf unter 10 Euro ein und der Dax büßte gegenüber seinem Hoch von mehr als 8.000 Punkten im März 2000 mehr als 70% bis zu seinem Tief bei 2.300 Punkten im März 2002 ein.

Bilanzmanipulationen

Bilanzmanipulationen wie die bei Worldcom und Enron kamen ans Tageslicht. An der „Little Nasdaq“ der Deutschen Börse, dem Neuen Markt, wurden etliche Betrugsfälle wie etwa bei Comroad aufdeckt. Die Party war zu Ende und die Börse machte schließlich auch ihren als bald Zocker-Segment verschrienen Neuer Markt dicht. Viele Privatanleger haben durch das Platzen der Blase ihr Vertrauen in die Aktienmärkte verloren. Aus heutiger Sicht ist aber für Anleger vor allem interessant, was die Gründe für die Dotcom-Blase waren und warum sie dann so gewaltig platzte. Darüber hinaus stellt sich natürlich die Frage, ob angesichts der hohen Kursgewinne von US-Technologieaktien, und dabei insbesondere der Magnificent 7 (Mag7), hier nicht schon wieder eine neue Blase entsteht.

„Beim Rückblick fällt am meisten auf, dass es keinen fundamentalen Treiber für den Beginn des Sell-offs gab“, erklärt Henry Allen, Macro Strategist bei Deutsche Bank Research, in einer aktuellen Studie zum Platzen der Dotcom-Blase. „Als es ernsthaft wurde, führten Verkäufe einfach zu weiteren Verkäufen, wie es auch bei vielen Finanzblasen in der Geschichte gewesen ist.“ Einen großen Katalysator zu Beginn habe es nicht gebraucht. Eine Blase könne also aus dem Nichts platzen, wenn sich ein entsprechend hohes Bewertungsniveau aufgebaut hat und extrem viel Risikokapital investiert ist.

Durch die Bezeichnung Dotcom-Blase war diese um die Jahrtausendwende mit dem Aufstieg zahlreicher junger Internet-Unternehmen konnotiert. Hinzu kamen aus Allens Sicht ein starkes Wachstum, Steuersenkungen für Kapitalerträge in den USA sowie Leitzinssenkungen der Fed.

Die Hausse nährt die Hausse

Dann hat, wie Allen ausführt, die Blase 1999 ihr Eigenleben entwickelt, als Venture Capital viele Internetfirmen an die Börse brachten und die Technologiebörse Nasdaq in diesem Jahr satte 86% gewann, sodass US-Aktien Rekordbewertungen erreichten. So sei das zyklusbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE) des S&P 500 im Dezember 1999 auf ein Allzeithoch von 44,2 geklettert. Dies lag sogar über dem Niveau im Jahr 1929 vor dem großen Börsencrash. Gleichzeitig habe die Fed, als die Wirtschaft zu überhitzen drohte, im Juni, August und November 1999 die Leitzinsen um 25 Basispunkte erhöht.

Im Januar und Februar hatte der Nasdaq noch einmal deutlich zugelegt, sodass die Blase ihren Höhepunkt erreichte. Beim Platzen der Blase habe es zwar immer wieder Stabilisierungsversuche gegeben. Als dann aber die wirtschaftliche Abschwächung deutlich wurde, und viele Unternehmen schwache Ertragszahlen vorlegten, hat sich der Sell-off fortgesetzt. Deutlich wird im Nachhinein, dass die Dotcom-Rally letztendlich zu einer massiven Überbewertung von Tech-Aktien geführt hat.

Im Vergleich zu heute erkennt Stratege Allen aber wesentliche Unterschiede. „Erstens war die Geschwindigkeit des ursprünglichen Anstiegs bei Tech-Aktien weitaus größer als die heutige Rally“, erklärt er. So sei der Nasdaq in fünf Monaten bis zu seinem Hoch im März 2000 um 88% geklettert. Hingegen habe der Anstieg 2024 „nur“ 29% betragen. Zweitens sei damals die Dynamik des ursprünglichen Einbruchs unglaublich plötzlich und deutlich gewesen. Solche herben Rückschläge hätten sich bisher nicht gezeigt, auch nicht nach Schlüsselereignissen wie dem Bekanntwerden von Deep Seeks neuem AI-Modell, da habe der Nasdaq nur 3% gegenüber seinem Hoch verloren.

„Drittens fand der Sell-off im Umfeld eines breiten ökonomischen Abschwungs statt“, sagt Allen. Heute würde die US-Wirtschaft hingegen stetig wachsen.

Mag7 hoch bewertet

Allerdings sind vor allem die Mag7 hoch bewertet, während europäische und asiatische Aktien wesentlich günstiger sind. So stellt Ariel Bezalel, Fondsmanager bei Jupiter, eine überzogene Bewertung von US-Aktien fest. Mehrere Kennzeichen zeigten dies auf. So liege der „Buffett-Indikator“, der die US-Marktkapitalisierung im Verhältnis zum US-BIP setzt, nahe seinem Allzeithoch. Auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 erscheine sehr hoch, besonders gelte das für das zyklusbereinigte KGV (CAPE). Zudem zeige ein einfaches Modell, dass aktuell keine allzu hohe Risikoprämie für Aktien gerechtfertigt sei.

Liegt auch bei den Mag7 eine Blase vor? Es gibt zumindest Anzeichen dafür.

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