Chipstandort Deutschland ist wettbewerbsfähig
Chipstandort
Wechselseitig abhängig
Von Stefan Kroneck
Die Abhängigkeit von Asien im Chipgeschäft ist nicht so einseitig wie gedacht. Deutschland ist in diesem Schlüsselsektor wettbewerbsfähig.
Der Standort Deutschland ist wohl besser als sein Ruf. Das trifft jedenfalls auf die Chipbranche zu. Im internationalen Vergleich schneidet die größte Volkswirtschaft der EU in diesem Schlüsselsektor gar nicht so schlecht ab, wie viele glauben. Die Hersteller von Halbleitern „Made in Germany“ sind wettbewerbsfähig.
Das zeigt der jüngste Vorstoß von Infineon in die USA. Deutschlands größter Chipkonzern lässt sich von einem eskalierenden Handelsstreit über rigoros angehobene Importzölle von US-Präsident Donald Trump nicht abschrecken. Trotz einer wachsenden Furcht von einer weltweiten Rezession will das Dax-Mitglied die Autoaktivitäten vom US-Wettbewerber Marvell übernehmen, um das Geschäft mit Mikrocontrollern für Fahrzeuge zu erweitern. Infineon ist dafür bereit, einen erstaunlich hohen Preis zu zahlen. Die veranschlagten 2,5 Mrd. Dollar entsprechen dem 10-Fachen des Jahresumsatzes der Marvell-Sparte.
Nationaler Branchenchampion wichtig
Offensichtlich ist der nationale Branchenprimus trotz einer drohenden Weltwirtschaftskrise bereit, für das eigene Wachstumskonzept einen strategischen Preis zu zahlen, um die eigene Position im harten Wettbewerb um Marktanteile in der modernen, durch E-Autos und autonomes Fahren geprägten Mobilität auf lange Sicht zu stärken.
Das Beispiel Infineon verdeutlicht, dass ein nationaler Branchenchampion eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass ein Land in diesem kapitalintensiven, schwankungsanfälligen Hochtechnologiezweig mithalten kann. Ohne den Umbau des einstigen Siemens-Ablegers nach einer überwundenen Existenzkrise 2009 von einem Produzenten von Massenchipware hin zu einem Anbieter von komplexen Leistungshalbleitern würde die deutsche Chipindustrie heute keine ernsthafte Rolle im Welthandel spielen. Infineon steht auf Platz 10 unter der großen Branchenplayern.
Schlüsselrolle von TSMC
Und dennoch ist die Dominanz Asiens im Chipmarkt frappierend. Während die EU nahezu ein Zehntel der weltweiten Chipfertigung ausmacht, entfallen auf Asien rund 80 %. Den Rest machen die USA aus. Kein Wunder also, dass sowohl Washington als auch Brüssel dieses Ungleichgewicht mithilfe staatlicher Fördermaßnahmen aufheben oder zumindest stoppen wollen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei TSMC zu. Der größte Chipauftragsfertiger der Welt aus Taiwan sucht unter dem wachsenden Druck Pekings nach Ausweichstandorten, um sich vor einer Einkreisung der Inselrepublik durch China zu wappnen.
Während Trump TSMC Investitionen von 100 Mrd. Dollar an neuen US-Standorten abrang, konnte Berlin den Taiwanern den Standort Dresden schmackhaft machen. Von den mit 10 Mrd. Euro veranschlagten TSMC-Investitionen in ein neues Werk in Silicon Saxony bringt die öffentliche Hand die Hälfte auf.
Im Investitionswettlauf abgekoppelt
Die Höhe der Investitionen ist auch ein Spiegelbild des geopolitischen Gewichts der Wirtschaftsblöcke. Deutschland zieht in diesem Investitionswettlauf zwar den Kürzeren, kann aber immerhin punktuell Boden gutmachen. Das ist besser als gar nichts. Die groß angekündigten Investitionsprojekte von Intel in Magdeburg und Wolfspeed im Saarland scheiterten nicht an deutschen Standortbedingungen, sondern daran, dass beide US-Chipkonzerne in Schwierigkeiten stecken.
Für TSMC ist Dresden vor allem deshalb interessant, weil die sächsische Landeshauptstadt ein Cluster an bedeutenden Chipherstellern vorweist wie AMD, NXP, Bosch und eben Infineon. Diese vorhandene Branchenstruktur erleichtert eine Neuansiedlung erheblich. Infineon selbst baut diesen Standort mit staatlicher Hilfe ebenfalls aus.
Als Tech-Standort bewährt
Solche Cluster tragen dazu bei, dass Deutschland sich als Tech-Standort bewährt. Denn die Branche richtet sich in etablierten Volkswirtschaften und Hochlohnländern künftig verstärkt auf Chipdesign aus. Manche wie Infineon sind im Bereich Autochips unersetzlich. Das schafft wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Asien, Nordamerika und Europa.